Patocco, ein verträumtes
Bergdorf, das viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hat, ist das
Ziel dieser anspruchsvollen Halbtagestour. Im ersten Teil gilt es einen
langen und steilen Anstieg zu bewältigen, der durch den schlechten
Zustand des Weges erschwert wird, aber wegen der spektakulären Streckenführung
ein Erlebnis ist. Anfänglich noch vom Verkehrslärm begleitet,
genießt man bald die völlige Ruhe und später, falls man
sich zu diesem Abstecher entschließt, den weiten Blick vom Gipfel
des Monte Jama auf den Canale del Ferro. Ein schöner Mischwald und
felsiges Terrain kennzeichnen den ebenso steilen Abstieg nach Patocco.
Sobald das Dorf erreicht ist, hat aber die Anstrengung ein Ende. Man streift
im Ort umher und erfreut sich am Anblick seiner alten Steinhäuser,
die durch die schöne Lage noch gewinnen. Sanfte Wiesen mit verstreuten
Bäumen und kleinen Gärten laden zum Verweilen. Zeit lassen sollte
man sich auch bei der Rückkehr durch den Patoc-Graben. Ein gut erhaltener
Kulturweg führt hoch über dem Bach und unter steilen Felswänden
talauswärts. Die alte Pflasterung und ein steinernes Brücklein
machen den Abstieg zur Zeitreise. Erst an der Einmündung ins Fellatal,
im Anblick der Autobahn, wird man wieder von der Realität eingeholt.
Hinweise zur Wanderung
LÄNGE: 9 km
ANSTIEGE: 700 m
GEHZEIT: 4:30 Std.
ANFORDERUNGEN: Gute Kondition und
Trittfestigkeit
Karte: Tabacco-Wanderkarte 018, Alpi
Carniche Orientali – Canal del Ferro, 1:25.000
Einkehrmöglichkeiten: Chiusaforte
Anfahrt: A 23, Abfahrt Pontebba, weiter
auf der SS 13 Richtung Udine bis Chiusaforte; von dort auf der SP 76 über
den Fluss nach Raccolana.
Wegbeschreibung
Ausgangspunkt ist die Ortschaft Raccolana vis-à-vis
von Chiusaforte, wo man den PKW unterhalb der Autobahnbrücke
abstellt. Man geht einige Schritte auf der Straße Richtung Sella
Nevea taleinwärts und wendet sich nach links in einen ansteigenden
Pfad (Markierung Nr. 644, Wegweiser »Patoc«). Sehr steiler
Anstieg auf stellenweise etwas verwachsenem und undeutlich markiertem
Weg bis zu einem Sattel (2:00 Std.).
[Von hier empfiehlt sich ein Abstecher nach links zum Gipfel des Monte
Jama. Schönes Panorama. Zusätzlicher Zeitaufwand: 0:45 Std.]
Man geht rechts und steigt gut 30 Min. bis zu einem Sträßchen
ab; auf diesem nach links bis Patocco (2:45 Std.). Besichtigung
des Weilers.
Vom Parkplatz unterhalb der Kirche folgt man einem Schottersträßchen
bis zu einer Dreifachgabelung, wo man den mittleren Weg nimmt (Markierung
Nr. 620). Man verlässt den Ort, passiert bald den
Friedhof und später das Fundament einer Seilbahnstation
aus dem Ersten Weltkrieg. Auf schönem Weg rechts des Rio Patoc talwärts.
Nach 1 Std. wechselt man auf die linke Talseite, steigt kurz an und wandert,
begleitet vom Autobahnlärm, hoch über den Fella-Tal bis Raccolana.
Vor der Kirche eine Querstraße; man wendet sich nach links und kehrt
zum Ausgangspunkt zurück (4:30 Std.).
Am Wege
Chiusaforte | KluŽe | Scluse | Klausen
Es ist ein Ort des Niedergangs; kaum ein Bewohner, der den tempi passati
nicht nachtrauert. Gemeint sind in diesem Fall die 1960er und 70er Jahre,
in denen der Ort rund um die Uhr vom Durchzugsverkehr lebte und dafür
den dazugehörigen Lärm gerne in Kauf nahm. Die Beschallung ist
geblieben, doch brausen die Autos heute auf der Superstrada an der Ortschaft
vorbei. Der erste große Einbruch erfolgte 1976 mit dem Erdbeben,
bei dem die meisten Beherbergungsbetriebe zerstört wurden, der zweite
zehn Jahre später mit Fertigstellung der Autobahn. Einen weiteren
Tiefschlag stellte die Stilllegung der alten Eisenbahnstrecke im Jahr
1998 bei gleichzeitiger Schließung der großen Kaserne dar.
Fast über Nacht sank die Einwohnerzahl um 700 Personen und damit
der Bedarf an Dienstleistungen. Also muss heute ein Großteil der
Erwerbstätigen in den Großraum Udine pendeln.
Seinen Namen und die ursprüngliche Bedeutung verdankt Chiusaforte
seiner Lage an einer markanten Engstelle des Fellatales. Schon 800 v.
Chr. soll hier eine Festung errichtet worden sein, um den transalpinen
Handelsweg zu schützen. Aus dem Mittelalter sind Otto III. und der
Patriarch von Aquileia als Erbauer bzw. Erhalter einer Burg überliefert.
Später diente diese dem Schutz gegen die Türken, die wiederholt
in die friulanische Ebene einfielen. 1833 verfügten die Habsburger
die Abtragung der Anlage; deren spärlichen Reste finden sich in der
Nähe der alten Eisenbahnbrücke. Die Fortezza alto Tagliamento-Fella,
ein Panzerfort, das 1904 gegen die Österreicher errichtet wurde,
befindet sich westlich der Ortschaft.
So nachteilig die Umfahrungsstraße in wirtschaftlicher Hinsicht
ist, so positiv sind die Auswirkungen auf das Ortsbild. Wer sich etwas
Zeit nimmt, wird Chiusaforte bei aller Tristesse als Siedlung von besonderem
Charakter erleben. Einen Vorgeschmack bietet die Via culturis am nördlichen
Ortseingang mit einer elegant geschwungenen Gebäudekulisse, aus der
das weiß getünchte Haus Nr. 27 mit einem ungewöhnlich
schlanken, zweigeschoßigem Torbogen hervorsticht. Die bunte Fortsetzung
findet sich in der Via Roma mit einer Reihe sorgfältig renovierter
historischer Häuser. Ein stattliches Herrenhaus ist mit der Casa
Fontebasso erhalten geblieben. Den sakralen Kontrapunkt setzt der
Dom auf dem markanten Kirchenhügel, durch den das Ortszentrum eine
zweite Etage erhält. Und mit der Via Campolaro, die von einer schrägen
Bogenbrücke überspannt wird, besitzt Chiusaforte sogar eine
Gasse von nahezu süditalienischem Flair. Entsprechende Milieustudien
können in den beiden Dorfbars angestellt werden.
Patocco | Potok | Patoc
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war das weltabgewandte Bergdorf
nur über einen befestigten Saumpfad durch den Patoc-Graben erreichbar;
die in den Fels gesprengte Straßenverbindung zum Raccola-Tal ist
keine 100 Jahre alt. Sie ermöglichte im Ersten Weltkrieg den Bau
einer Seilbahn zur Versorgung der Gebirgsfront, womit Patocco zum wichtigen
Militärstützpunkt wurde. Das wuchtige Fundament der ehemaligen
Bergstation sowie eine Bunkeranlage können nordwestlich des Ortes
besichtigt werden. Tausende Soldaten wurden hierher verfrachtet, ehe man
sie zum Kämpfen und Sterben in die Berge schickte. Nach der Schlacht
um Kobarid, bei der den Österreichern mit Hilfe des Einsatzes von
Giftgas der Durchbruch in der Isonzofront gelang, lag Patocco auf der
ersten und wichtigsten Rückzugslinie der Italiener. Mehrere hundert
flüchtende Soldaten suchten und fanden hier Schutz.
Heute findet sich in weitem Umkreis kein friedlicherer Ort. Eingetaucht
in völlige Stille und umgeben von wilden Bergen bevölkern die
unverputzten Steinhäuser den unbewaldeten Sattel zwischen Monte Jama
und Monte Cimone. Sie wurden, nachdem ihnen das Erdbeben 1976 arg zugesetzt
hatte, nach und nach instand gesetzt, wobei man mit viel Respekt vor der
traditionellen Bauweise zu Werke ging. Entsprechend harmonisch ist das
Ortsbild, vor allem unterhalb der Kirche, wo die Häuser eng aneinander
gebaut sind und einen malerischen Hof mit Obstbäumen und Blumenrabatten
umgeben. Etwas weiter westlich finden sich alleinstehende Wohnhäuser
von erstaunlicher Größe sowie ein stimmungsvoller Brunnen mit
Waschplatz unter uralten Kastanienbäumen. Sehenswert ist auch das
mehrstöckige Gehöft oberhalb des Parkplatzes, dessen verschachtelte
Fassade die Gebirgskulisse zu zitieren scheint. Sorgfältig rekonstruierte
Stiegenaufgänge und Laubengänge aus Holz gliedern die Front
des Nachbarhauses. |