Vorwort
Jahrzehntelang politisch, wirtschaftlich und kulturell stark fragmentiert,
wächst die mitteleuropäische Region im Dreiländereck
von Österreich, Italien und Slowenien nun allmählich zusammen.
Doch nur unweit der Ballungsräume um Klagenfurt, Udine und Ljubljana
befinden sich immer noch Gebiete in weitgehender Isolation. Vor allem
entlang der österreichisch-slowenischen bzw. italienisch-slowenischen
Grenze sind viele Gemeinden von Stillstand und Abwanderung betroffen
und scheint man den Anschluss an den (wirtschaftlichen) Fortschritt
versäumt zu haben. KLOPFZEICHEN widmet sich solchen »vergessenen
Landschaften« – Orten und Gegenden an der Peripherie, in
denen die Uhren etwas anders gehen und die (verbliebenen) Menschen ein
Eigenleben führen. Von Interesse sind diese »Reservate«,
weil sie einerseits auf eine bemerkenswerte Geschichte zurückblicken
und andererseits das kulturelle Leben bis heute von ethnischen Minderheiten
geprägt wird. Zudem weisen sie höchst eigenwillige Ortsbilder
und Kulturlandschaften auf, die anderswo in Europa längst der Zersiedelung
und Modernisierung zum Opfer gefallen sind. Und schließlich haben
sich hier – bei allem Anachronismus – Kulturinitiativen
entwickelt, die keinem provinziellen Selbstverständnis unterliegen,
sondern sich an internationalen künstlerischen Standards orientieren
und Kontakte mit Kunstschaffenden in ganz Europa pflegen. Geplant sind
Maßnahmen von hoher künstlerischer Qualität zur Förderung
des interkulturellen Dialogs, zur Unterstützung grenzüberschreitender
Mobilität von Kunstschaffenden und Publikum sowie zur transnationalen
Verbreitung von künstlerischen Werken.
Ziel des interdisziplinären Projektes KLOPFZEICHEN ist es, einige
dieser Orte mittels künstlerischer Maßnahmen exemplarisch
zu beleuchten und ihr ästhetisches Potential auf zeitgenössische
Weise zu nützen. Die Auseinandersetzung erfolgt in Form grenzüberschreitender
Kooperation mit Künstlern, Partnerorganisationen und Publikum aus
den drei Partnerländern sowie sechs weiteren europäischen
Staaten.
Zweitens sollen die KLOPFZEICHEN einen Beitrag zur Stärkung der
europäischen Identität leisten und das Interesse breiter Bevölkerungsschichten
auf die verborgenen Schönheiten der Peripherie lenken. Die einzelnen
Aktionen zielen auf die Aufwertung einer häufig unterschätzten
Landschaft ab. Was sich im toten Winkel der öffentlichen Wahrnehmung
befindet, soll mittels innovativer künstlerischer Akzente in den
Blickpunkt gerückt werden. An Vergessenes wird erinnert, Verschüttetes
freigelegt. Weniger spektakulär als in den Darstellungsmitteln
zurückhaltend und damit dem stillen Wesen der Region angepasst,
haben die Aktionen doch auch Signalcharakter. Auf diese Weise sollen
sie überregionales, europäisches Interesse wecken und grenzüberschreitende
Publikumsströme in Gang setzen. Angesprochen wird die regionale
Bevölkerung ebenso wie mobile Kulturinteressierte und Touristen
aus den angrenzenden europäischen Ländern.
Die Schauplätze sind:
› Orte, die fernab des Kunstbetriebes und der Kulturindustrie
die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und die Kommunikation
zwischen Kulturschaffenden und Menschen, die der Kunst gewöhnlich
fern stehen, ermöglichen.
› »Unorte«, die sich der öffentlichen Aufmerksamkeit
durch scheinbare Bedeutungslosigkeit entziehen und gerade dadurch besondere
Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
› Öffentlicher Raum in Gegenden, die von Abwanderung und
dem Rückgang von Zivilisation betroffen sind.
Kooperationspartner sind:
› Kulturinitiativen, die Kunst und deren Vermittlung als emanzipatorische
Aufgabe betrachten und sich dem internationalen Kulturaustausch außerhalb
des etablierten Kunstbetriebes verschrieben haben.
› Kulturschaffende, die regionale Identität nicht als kulturelle
Zwangsjacke verstehen, sondern als mehrdimensionalen Begriff, der die
kritische Distanz zur so genannten Heimat einschließt.
› Namentlich sind dies:
– UNIVERSITÄTSKULTURZENTRUM UNIKUM Klagenfurt, (AT)
– ASSOCIAZIONE TOPOLÒ – TOPOLUOVE, Grimacco, (IT)
und
– KULTURNO UMETNIŠKO DRUŠTVO »OPOKA«
Medana, (SI)
– GRUPA KUGLA Zagreb, (HR)
– KUNSTSPORTGRUPPE HOCHOBIR (DE, AT)
– ALPEN-ADRIA-UNIVERSITÄT Klagenfurt/Celovec (AT)
– KOHLENHOF KUNSTVEREIN Nürnberg (DE):
– VEREIN INNENHOFKULTUR, Klagenfurt/Celovec (AT)
– K&K CENTER ST. JOHANN/ŠENTZJANŽ (AT)
– ASSOCIAZION CULTURAL COLONOS (IT)
– REVISTA NADA, Lisabon (PT)
sowie weitere KünstlerInnen und Partner in Österreich, Italien,
Slowenien, Kroatien, Estland, Deutschland, Frankreich, Niederlande,
Ungarn und Portugal.
Das Projekt KLOPFZEICHEN erstreckt sich über 2 Jahre und umfasst
sechs Teilprojekte, an denen insgesamt 60 KünstlerInnen aus neun
europäischen Ländern beteiligt sind. Es ist interdisziplinär
angelegt, wobei das Hauptaugenmerk auf der bildenden Kunst, der Musik,
der Literatur und der Medienkunst liegt. Einen weiteren Schwerpunkt
bilden die Alltagskultur und die »informelle« Kunst. Alle
Teilprojekte stehen künstlerisch für sich, bilden aber mit
den anderen Projekten einen dramaturgischen Bogen, der ein vielschichtiges
Bild der Kulturlandschaft im Dreiländereck vermittelt. Thematisch
abgestimmt und einander ergänzend, schärfen sie den Blick
für das Exemplarische einer Region, die mitten in Europa an den
Rand gerückt ist. Alle Projekte werden von den Projektpartnern
in gemeinschaftlicher Arbeit entwickelt und unter der Leitung des Koordinators
durchgeführt. Zur Rekrutierung der beteiligten KünstlerInnen
werden für alle Projekte die europäischen Netzwerke und Kontakte
der Projektpartner genützt. Die begleitende Öffentlichkeits-
und Medienarbeit wird von den Partnern gleichermaßen geleistet.
Alle drei Projektpartner haben Erfahrung in der Realisierung grenzüberschreitender
zeitgenössischer Kunstprojekte und können auf entsprechende
Erfolge verweisen. Das Universitätskulturzentrum verweist insbesondere
auf das trilaterale Projekt SCHÖNE
ÖDE | LEPA PUŠČA | BELLA BRULLA in den Jahren
2002/2003, das vom österreichischen Bundesministerium für
Unterricht, Kunst und Kultur in die Liste der 25 erfolgreichsten Projekte
im Rahmen des EU-Programms 2000 aufgenommen wurde (siehe Broschüre
»best_practice«).
Zusätzlich wird eine Reihe von assoziierten Partnern in allen drei
Ländern und darüber hinaus einbezogen, die zwar keinen finanziellen,
jedoch inhaltlichen und organisatorischen Beitrag leisten und als Multiplikatoren
wirken.
Das Projekt ist sowohl prozess- als auch ergebnisorientiert, das heißt,
dass nach einer Phase intensiver Vorbereitung der Anspruch auf künstlerische
Qualität an konkreten Werken wie Ausstellungen, Aufführungen
und Publikationen gemessen werden kann.
Die Projekte im Einzelnen:
I. PEILUNG
| RILEVAMENTO
| NAMERJANJE
Ein literarisch-fotografisches Projekt
II. Sichtkontakt
| contatto visivo
| na prvi pogled
Drei inszenierte Begehungen
III. Bergung
| Recupero
| IZKOPAVANJE
Objekt- und Klanginstallationen an verlassenen Orten
IV. WORTWECHSEL
| Diverbio
| Prerekanje
Übersetzungsprojekt und Textinstallationen
V. HÖRWEITE
| A
Portata di voce | sliŠnost
Literarisches Musikprojekt in drei Sätzen
VI. TRENNUNG
| Separazione
| LoČevanje
Wanderausstellung und Publikation |