TEXTPROBEN

01. BAŠKA GRAPA: Hinter den sieben Bergen
02. BEI DEN »TIROLERN« – Wanderung von Podbrdo nach Hudajužna (Wegbeschreibung)
03. KARTENSKIZZE

01. BAŠKA GRAPA: Hinter den sieben Bergen

Die Baška grapa ist so unbekannt wie das Soča-Tal berühmt. Was Unbedarfte mit italienischem Tresterschnaps assoziieren, benennt ein von der Bača, zu deutsch Fetsche, geschaffenes Flusstal samt den darüber liegenden Terrassen. Der »Graben« nimmt südlich der Wocheiner Berge seinen Anfang und schlängelt sich 30 Kilometer in südwestlicher Richtung der Idrijca entgegen, die sich nur zwei Kilometer weiter mit der Soča vereint. Mag es auch der Fluss hinsichtlich Klarheit und türkisgrüner Färbung nicht mit der Soča aufnehmen, hat sein Tal doch eine Reihe bemerkenswerter Naturschönheiten zu bieten. Vor allem die tief eingeschnittenen Seitenarme wie die dunkle Trogschlucht am Kocenpoh oder die vielen Wasserfälle zwischen Hudajužna und Koritnica halten jedem Vergleich stand.
Denn eines ist die Baška grapa mit Sicherheit: eng. Von ein paar schmalen Wiesenstreifen abgesehen, bietet das Tal kaum Platz für landwirtschaftliche Flächen. Das ist wohl der Grund, warum sich von den 24 Ortschaften nur sechs am Talboden befinden. Die übrigen Siedlungen liegen ein oder gar zwei Stockwerke höher, also oberhalb der steilen und bewaldeten Hänge links und rechts des Flusses. Die meisten von ihnen haben keinen Sichtkontakt zum Tal, weshalb man als Autofahrer, der der Straße neben dem Fluss folgt, den Eindruck einer amorphen und fast unbesiedelten Gegend gewinnt. Was aus dieser Perspektive kaum zum Zwischenstopp einlädt, erweist sich für den Wanderer aber bald als höchst lohnendes Gebiet.

Wer die Baška grapa über den Vrh Bače, einen 1273 m hohen Sattel westlich der Kobla, also von Norden her kommend, betritt, überschreitet damit gleich mehrere Grenzen: Erstens die Wasserscheide zwischen Soča- und Save-Gebiet, also zwischen dem Mittel- und Schwarzen Meer. Zweitens wechselt man von einer Vegetationszone in die andere. Herrscht nämlich jenseits des Passes noch Gebirgsklima, wird das Wetter diesseits viel stärker von der Adria beeinflusst. Botaniker freuen sich hüben über das Vorkommen des Türkenbunds und geraten drüben über die Kurzhaarige Nabelmiere in Verzückung. Selbst dem Laien fällt der plötzlich auftretende »mediterrane« Bewuchs auf. Die naturräumliche Grenze entspricht drittens dem Übergang zwischen Gorenjska, der Oberkrain, und Primorska, dem Küstenland. Es handelt sich dabei um Landschaftsnamen aus der Zeit der Monarchie, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind, ohne dass sie geographisch je genau definiert worden wären. (Auch Prekmurje, Übermurgebiet, oder Goriško, Görz und Gradiška, sind solche »ungefähren« Gebietsbezeichnungen. Außerdem überschreitet man am Vrh Bače auch eine alte politische Grenze. Sie wurde im November 1920 zwischen Italien und dem SHS-Staat festgelegt und bestand bis 1941. Grundlage war der Vertrag von Rapallo, durch den unter anderem Görz, Istrien, Triest und Teile Krains dem Königreich Italien zugesprochen wurden. So fanden sich rund 300.000 Slowenen plötzlich als italienische Staatsbürger wieder und wurde das Bača-Tal über Nacht ein Teil Julisch Venetiens.
Mit den Minderheitenrechten, die man den Slowenen vor der Grenzziehung versprochen hatte, war es allerdings nicht weit her. Schon bald setzte auf allen Ebenen eine behördlich forcierte Italianisierung ein, die von nationalistischer Propaganda und faschistischem Terror begleitet wurde. So wurden zahlreiche slowenische Einrichtungen geschlossen und mehrere Kulturhäuser niedergebrannt; in manchen Ortschaften kam es gar zu pogromartigen Übergriffen. Wer in der Öffentlichkeit slowenisch sprach, setzte sich der Gefahr schwerer Misshandlungen aus. Eine Spezialität italienisch-nationalistischer Rollkommandos bestand darin, Slowenenfunktionäre durch die öffentliche Verabreichung von Rhizinusöl zu demütigen. In Hudajužna, in der Mitte der Baška grapa, erinnert eine verblasste Trattoria-Aufschrift an die Zeit der Zugehörigkeit des Tales zu Italien.
Nicht alle Slowenen nahmen die nationale Unterdrückung widerspruchslos hin. Mitte der 1920er Jahre gründeten junge slowenische Revolutionäre den anti-italienischen Geheimbund TIGR (die Abkürzung für Trst, Istra, Gorica, Reka) und damit die erste antifaschistische Bewegung Europas. Die Gruppe hielt sich nicht lange mit politisch-agitatorischen Aktivitäten auf, sondern schlug bald eine härtere Gangart ein. Sie setzte italienische Schulen und Kindergärten in Brand und verübte mehrere Morde an so genannten Konfidenten. Den größten »Erfolg« feierte TIGR mit einem Bombenattentat auf die Redaktion des faschistischen »Il Popolo di Trieste« im Jahre 1930. Die Staatsgewalt beantwortete den Anschlag mit einem Schauprozess gegen 18 »slawische Terroristen«, von denen vier zum Tode verurteilt wurden.
Dass es in der Hochblüte des Nationalismus mit den nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Italien und Jugoslawien nicht zum Besten stand, liegt auf der Hand. Das gegenseitige Misstrauen manifestierte sich schließlich im Bau einer »Mauer« entlang der italienisch-jugoslawischen Grenze durch die SHS-Armee. Die Rupnik-Linie, wie der militärische Verteidigungsgürtel nach ihrem Kommandeur benannt wurde, bestand aus einer dichten Kette aus Festungen und Bunkeranlagen, von denen viele noch heute zu sehen sind. Auch am Vrh Bače können die Reste einer Festungsanlage sowie alte Soldatenunterkünfte besichtigt werden. Obwohl die Planung für die Verteidigungslinie schon Mitte der Zwanziger Jahre begann, nahm man die Bauarbeiten erst 1937 in Angriff. Sie konnten wegen der Kapitulation der Jugoslawen vor der Wehrmacht 1941 nie zum Abschluss gebracht werden.
Der Bau der Rupniklinie wurde von den Einheimischen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einerseits brachte er hunderten Arbeitslosen vorübergehende Verdienstmöglichkeiten als Bau- oder Transportarbeiter, andererseits bedeutete die Grenzbefestigung für viele die gewaltsame Abtrennung von Verwandtschaft oder eigenem Grund und Boden. So entwickelte sich schon bald ein reger nächtlicher Grenzverkehr durch heimliche Nachbarschaftsbesuche oder zum Zwecke des illegalen Warenaustausches. In Bača pri Podprdu erinnert man sich noch heute an die »Besetzung« des Dorfes durch italienische Zöllner und einen Großbrand, den ein Grenzer wegen der verschmähten Liebe zu einer Einheimischen verursachte. Auch eine mehrwöchige »Evakuierung« aller Dorfbewohner ist im kollektiven Gedächtnis geblieben.
1941 wurde das heutige Slowenien von den Achsenmächten Deutschland, Italien und Ungarn militärisch besetzt und dreigeteilt. Die Rupniklinie mutierte zur inneritalienischen Grenze zwischen Julisch Venetien und der Provincia di Lubiana. Sie wurde jedoch von Polizeieinheiten weiterhin streng bewacht, um Kontakte zwischen den wachsenden Widerstandsgruppen zu verhindern. Während die Deutschen in Oberkrain sofort mit brutalen Zwangsmaßnahmen und ethnischen Säuberungen begannen, schienen die italienischen Besatzer anfänglich etwas moderater vorzugehen. So flüchteten viele Slowenen aus den von den Deutschen besetzten Gebieten zu den Italienern. Aber auch Mussolini plante groß angelegte Deportationen und die massenhafte Ansiedlung von Italienern in der neuen Provinz. Bald verschärfte sich der Terror gegen die Bevölkerung. So erging der militärische Befehl, jeden gefangenen Partisanen und »alle Kommunisten« sofort zu exekutieren. Partisanenüberfälle wurden mit Geiselerschießungen und der Zerstörung ganzer Dörfer beantwortet. 25.000 »Sympathisanten« landeten in italienischen Konzentrationslagern, aus denen viele nicht mehr zurückkehrten. 13.000 Slowenen wurden von Militärgerichten abgeurteilt.
Einen Höhepunkt erreichte die Gewaltherrschaft im November 1942, als das italienische Militär eine Großoffensive der Partisanen zurückschlug und unter der Zivilbevölkerung wütete. »Die Menschen sind in einer solchen Verfassung und Stimmung, wie sie unsere Geschichte seit der Türkenzeit nicht in Erinnerung hat«, berichtete der Dichter Edvard Kocbek. »Die Häuser brennen, der Feind zerstört Getreidefelder und Obstgärten, Frauen und Kinder kreischen, fast in jedem Dorf werden Geiseln erschossen, Hunderte von Menschen werden in die Internierung getrieben, das Vieh brüllt und irrt in den Wäldern umher.«
General Leo Rupnik, fanatischer Antikommunist und »Patriot«, der seine Laufbahn als k. u. k. Major begonnen und nach dem Ersten Weltkrieg bei der südslawischen Armee angeheuert hatte, ließ sich 1942 von den Italienern zum Bürgermeister von Ljubljana küren. Ein Jahr später, nachdem Italien kapituliert und die Deutsche Wehrmacht das gesamte »Adriatische Küstenland« besetzt hatte, sollte er die faschistische slowenische Heimwehr, die domobranci, begründen. Hauptaufgabe der Truppe war die Bekämpfung der Partisanen. Jedes Mitglied schwor »beim Allmächtigen, daß ich zusammen mit der bewaffneten Deutschen Wehrmacht, die unter dem Befehl des Führers Großdeutschlands steht, mit den SS-Truppen und der Polizei im Kampf gegen die Banditen und den Kommunismus sowie deren Bundesgenossen meine Pflichten erfüllen werde.« Im Herbst 1944 zählte die Heimwehr rund 13.000
Freiwillige. Zahlreiche Massaker an Widerstandskämpfern und verdächtigen Zivilpersonen gingen auf ihr Konto. Gegen Kriegsende, die militärische Niederlage vor Augen, flüchtete ein Großteil der domobranci nach Kärnten, wo sie von den Briten interniert und bald an die Tito-Truppen ausgeliefert wurden. In der Folge fanden Tausende in Massengräbern oder Karsthöhlen ein gewaltsames Ende. Diese Massenmorde gehören zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte des sozialistischen Jugoslawiens. Während mit dem Fußvolk in der Regel kurzer Prozess gemacht wurde, führte man Leo Rupnik 1946 einem Volksgericht vor. Er wurde als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet. Heute propagiert das Büro zur Förderung des Fremdenverkehrs in Škofja Loka die touristische »Wiederbelebung der Rupniklinie«. Ein Werbeprospekt verspricht »Adrenalinausbrüche beim Klettern durch Schießscharten und dem Abstieg in die geheimnisvollen, unteriridischen Gänge der militärischen Anlage«. Über die zweifelhafte Rolle ihres Namensgebers wird kein Wort verloren.

Während die Bunker und alten Grenzsteine am Vrh Bače an Krieg und italienische Besatzung erinnern, zeugen zahlreiche Flurnamen im Tal von einer viel länger zurück liegenden und weitaus friedlicheren »Okkupation«: der Besiedelung der zuvor menschenleeren Gegend durch Tiroler Bauern im 13. Jahrhundert. Sie erfolgte auf Geheiß der Freisinger Bischöfe, die das Land von Otto II. als Lehen erhalten hatten. So zogen etwa 70 Kolonisten aus Innichen im heutigen Südtirol ins Land, um die steilen Hänge südlich der Črna prst und östlich des Vrh Bače zu roden und eine Handvoll Dörfer zu gründen. Aufgrund der Abgeschiedenheit und der weitgehend autochtonen Lebensweise überdauerten Sprache und Kultur der Einwanderer fast sechs Jahrhunderte. So bildete sich in der Baška grapa die älteste deutsche Sprach-insel Sloweniens heraus. Dennoch erlangte sie nicht annähernd die Prominenz der Gottschee, der zweiten historischen Sprachinsel im Südosten des Landes. Diese wurde rund 100 Jahre später von Oberkärntner Bauern besiedelt und sollte im 20. Jahrhundert als »Brückenkopf des Deutschtums« ideologisch vereinnahmt werden. Auch die Wissenschaft schenkte den »Tirolern« des Bača-Tales viel weniger Aufmerksamkeit als den (zahlenmäßig freilich viel stärkeren) Gottscheern. Füllen die Bücher über diese Sprachgruppe Regale, was auch mit der tragischen Geschichte der Umsiedelung und Vertreibung der Gottscheer während und nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Nazis bzw. Kommunisten zu tun hat, findet sich über die Nachfahren der Siedler aus dem Pustertal kaum wissenschaftliche Literatur.
Einer der wenigen Gelehrten, der sich mit ihnen befasste, war der Kärntner Sprachforscher Eberhard Kranzmayer. Seinem »Wörterbuch der deutschen Sprachinselmundart von Zarz/Sorica und Deutsch-rut/Rut in Jugoslawien« entnimmt man, dass das Vokabular der deutschen Sprachgruppe des Bača-Tales noch Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend mit dem spätmittelalterlichen Wortschatz des Pustertales übereinstimmte. Nur ein Fünftel der gebräuchlichen Wörter wurde als »modern« bezeichnet, der Rest als »Altpustertaler Gut« eingestuft:
uralte Wörter und Begriffe waren konserviert worden. Einen Eindruck vom exotischen Klang der Mundart mag diese Kostprobe vermitteln: »De ooltn Laite žint genoumen a Schiirwele Vair, nou wäwwr gean ze raachan, daß brnt gean de Zouprare hin auf en de Kchouvln auf ze dr wildn Waabe.« (Die alten Leute haben eine kleine Schaufel genommen, um auszuräuchern, damit die Zauberer auf die Kofeln zu den wilden Frauen gehen.)
Obwohl bei der Volkszählung im Jahr 1918 kein einziger deutschsprachiger Einwohner mehr erhoben wurde (der letzte offizielle »Deutsche« verstarb 1911), überlebte der Altpustertaler Dialekt als Haussprache noch mehrere Jahrzehnte. Einen deutlichen Nachklang vernimmt man bei Bergnamen wie Altemaver, Tonderškofel und Kogel oder bei Hausnamen wie Plimpf, Štodler und Povden. Unverkennbar »deutsch« sind aber auch viele Familiennamen. Am Friedhof von Rut (Deutschrut), dem größten »Tiroler Dorf« der Baška grapa, können die Gräber der Familien Kemperle, Kusterle, Štendlar, Kamperle, Maver, Ortar und Burger besichtigt werden, deren slowenisierte Nachfahren noch immer hier leben.
Ein stummer Zeuge ihrer Geschichte ist die denkmalgeschützte »1000jährige« Linde neben der Kirche. Unter ihrer mächtigen Krone tagte einst die weltliche Gerichtsbarkeit, was auf den hohen gesellschaftlichen Status der Siedler schließen lässt. Fest steht, dass die Einwanderer freie Bauern waren, eigenes Jagdrecht besaßen und beträchtliche Abgabenerleichterungen genossen. Also wurden die Pustertaler nicht hierher verbannt (wie gelegentlich behauptet wird), sondern dürfte ihre Ansiedelung eine Belohnung für treue Dienste gewesen sein. Dafür spricht auch, dass die Nachfahren bis ins 19. Jahrhundert alljährlich Pilgerfahrten zum Dankgottesdienst in die alte Heimat unternahmen. Schließlich sind auch die klimatischen Bedingungen der Baška grapa viel besser als im höher gelegenen Innichen.
Ob auch die Schönheit der Landschaft für die Standortwahl mit bestimmend war, ist nicht bekannt; zu beneiden sind die Einwohner von Rut dafür allemal. Das hübsche Dorf sitzt fünf Kilometer nördlich von Koritnica auf einer überraschend weitläufigen Geländestufe mit sanft geneigten Hängen, die die Häuser wie ein Amphitheater umrahmen. Säuberlich gemähte Wiesen, gepflegte Hausgärten und handtuchgroße Felder vermitteln den Eindruck einer fast unverdorbenen Bergbauernidylle. Dazu gehört ein kompaktes Ortsbild mit etlichen historischen Bauten, unter denen vor allem die stattlichen und ungewöhnlich gedrungenen Doppelharpfen hervorstechen. Den dramatischen Hintergrund bilden die weißen Felswände der Wocheiner Berge.
Landwirtschaftlich weniger günstig, aber fast ebenso malerisch ist die Lage der Nachbardörfer Kal, Sv. Ožbolt und Stržišče. Hier steigen die Wiesen am Ortsrand sofort steil an und muss die Heuernte zum Teil mit dem Steigeisen eingebracht werden. Auffallend sind die spitzen Giebel, die sich in Sv. Ožbolt zu einer besonders reizvollen Dachlandschaft verdichten; Seltenheitswert haben die »schiefen«, weil – entgegen jeder slowenischen Bautradition – in der Falllinie errichteten Harpfen von Stržišče. Vom »tirolerischen« Einschlag der Architektur hat sich aber in Kal am meisten erhalten. Um den kleinen Dorfanger mit Brunnen und Tränke drängen sich Häuser, wie sie vielleicht auch im Pustertal stehen könnten. Ein stolzer zweistöckiger Bauernhof im Zentrum kündet mit kunstvollen Fensterverzierungen und Wandmalereien von seiner einstigen Bedeutung. Liebevoll renoviert wurde auch eine Reihe alter Speicher und Stallgebäude.
Bača pri Podbrdu, 1377 als »Binchinuel« erwähnt, weist ähnliche Häuser auf, auch wenn sich hier kaum noch deutsche Hausnamen
finden. Ein Gutteil der Gebäude steht leer, denn die jungen Leute sind mangels Verdienstmöglichkeiten ins Tal gezogen oder überhaupt abgewandert. Noch vor 25 Jahren hatte Bača 100 Einwohner, bis zum Ersten Weltkrieg sogar mehr als doppelt so viele, was angesichts der geringen Häuserzahl kaum zu glauben ist. Damals gab es sechs Großbauern, vier Kleinbauern und mehrere Keuschler, die als Tagelöhner, Knechte oder Holzarbeiter ihr Brot verdienten. Wer keine Arbeit fand und mutig oder verzweifelt genug war, suchte sein Glück in der weiten Welt. Fast jede Familie hatte oder hat Verwandte in Übersee – das Ergebnis mehrerer Auswanderungswellen, die die Arbeitssuchenden vorzugsweise nach Argentinien und Australien verschlugen. Legendär ist der einstige Kinderreichtum der Familien von Bača. Manche sollen so viel Nachwuchs gehabt haben, dass sich die Geschwister untereinander nicht einmal beim Namen kannten. Das war, wenn es denn wahr ist, wohl auch eine Folge der bitteren Armut, die schon Zehn- oder Zwölfjährige zwang, sich bei fremden Bauern als Hilfskräfte zu verdingen.
Legenden ranken sich auch um die Kirche von Bača. Sie ist dem Heiligen Leonhard, Sveti Lenart, geweiht und wird von Einheimischen als eine der ältesten Kirchen Sloweniens bezeichnet. Außerdem soll das Gotteshaus – St. Leonhard ist u. a. Schutzpatron der Gefangenen – einst von einer goldenen Kette umspannt gewesen sein. Der kostbare Schmuck wurde aber mitsamt dem übrigen Kirchengold von türkischen »Rennern und Brennern« geraubt, an deren Heimsuchungen ein »Türkenkreuz« erinnert. Bis heute werden der Messkelch und die Monstranz nicht im Tabernakel, sondern in einem externen Versteck aufbewahrt. Derlei Sicherheitsmaßnahmen hat die Statue des Sveti Lenart nicht nötig: Der Heilige pflegt sich seines Abtransports durch wundersame Gewichtszunahme zu widersetzen. Jeder Versuch, die Figur ins Tal zu bringen, endete bisher damit, dass die Träger auf halbem Weg entkräftet aufgeben mussten, um den (nun plötzlich wieder federleichten) Heiligen reumütig an seinen angestammten Platz zurückzubringen. Historisch gesichert ist die Geschichte des Friedhofs: Hier fanden in der Reformationszeit die Katholiken aus Bohinj ihre letzte Ruhe. Im Winter, erzählt man, wenn der Schnee keine Leichenzüge über den Vrh Bače erlaubte, wurden die Verstorbenen zwischengelagert: entweder im Eis oder, zur dauerhaften Konservierung, in der Räucherkammer.