Wer
sich mit dem Gedanken trägt, zu Fuß von Kärnten nach Triest
zu gehen, ist nicht schlecht beraten, sich in Warmbad Villach zu sammeln
und im Thermalbad auf die Strapazen vorzubereiten. Denn mag der Ort auch
auf den ersten Blick nicht sonderlich einladend wirken, wird man schon
bald seine Vorzüge entdecken. Zu den angenehmen Seiten zählt
neben der guten Gastronomie und dem vielfältigen Wellness-Angebot
vor allem die schöne Lage am Fuße des Dobratsch, der eine der
vielfältigsten Naturlandschaften Kärntens besitzt und damit
mehr als einen Kurzaufenthalt wert ist. Dazu kommt, dass Warmbad Villach
auf eine bemerkenswerte Geschichte zurückblickt, der nachzuspüren
sich ebenfalls lohnt.
Ein Ort der Erholung ist Warmbad Villach seit Menschengedenken. Schon
die Römer genossen hier, an der wichtigsten Verbindungsstraße
zwischen Noricum und Rom, aller Wahrscheinlichkeit nach Badefreuden; möglicherweise
wusste man aber schon in der Jungsteinzeit und in der Hallstattkultur
die warmen Quellen zu schätzen. Dass die Kelten in unmittelbarer
Nähe dutzende Hügelgräber hinterließen, dürfte
auch kein Zufall sein.
Spätestens seit dem Mittelalter schreibt man dem Wasser, das aus
den vulkanischen Tiefen des Dobratsch kommt und unter anderem mit radioaktivem
Radon angereichert ist, heilsame Wirkung zu. Zwar zeigte sich Theophrastus
Bombastus von Hohenheim alias Paracelsus von der Quelle nur mäßig
beeindruckt – Harndrang war so ziemlich die einzige Wirkung, die
er ihr zugestand –, doch empfahl dafür ein Zeitgenosse das
Wasser als Therapie »gegen hitzige Gemütsbewegungen«
sowie »gegen Leidenschaft und Verbrechen«. Auch der Abt von
St. Paul lobte seine Heilkraft: »Es reinigt Nieren, Leber, Magen
und Eingeweide, tut wohl, bringt Schlaf und treibt die Fäulnis aus.«
Heute suchen Kurgäste mit rheumatischen Leiden, Gelenksschäden
oder Störungen des vegetativen Nervensystems in Warmbad Villach wenn
schon nicht Heilung, so doch Linderung und Trost.
So weit die Geschichte des Ortes zurück reicht, so dürftig sind
ihre archäologischen Zeugnisse. Von den spärlichen Resten einer
spätantiken Burg oberhalb des Ortes und den erwähnten Hügelgräbern
abgesehen, finden sich kaum historische Bauten. Die Statue einer Göttin,
zwei Altarsteine und eine Opferschale sind alles, was die Römer hinterließen.
Spektakulär ist allerdings der Fund eines fast vier Meter hohen Haufens
von Menschen- und Tierknochen aus der Hallstattzeit in einer Dobratschhöhle.
Er wird von einigen Forschern als Beleg dafür gewertet, dass in dieser
Zeit Menschenopfer dargebracht wurden.
Auch die Geschichte der letzten Jahrhunderte spiegelt sich kaum in den
Gebäuden. Spurenelemente existieren nur in Form eines alten Stallgewölbes
im heutigen »Karawankenhof« sowie des alten Gutshofes östlich
der Bahntrasse. Fast scheint es, als hätten die Architekten und Bauherren
der letzten Jahrzehnte nichts anderes im Sinn gehabt, als Warmbad Villach
seiner historischen Wurzeln zu berauben. Erst seit wenigen Jahren nimmt
man mehr Verantwortung für das geschichtliche Erbe wahr. Traditionsträger
sind die Nachkommen der Familie Walter, die die wichtigsten Betriebe und
Liegenschaften in Warmbad Villach besitzen und deren Geschicke seit sieben
Generationen lenken. Eine im Jahr 1999 erschienene Familienchronik bietet
neben allerlei Ahnenkult manch vergnüglichen Einblick in die Lokalgeschichte.
Aufschlussreich sind auch die unzähligen Stiche, Gemälde und
historischen Fotografien, die in den Fluren und Sälen des »Warmbaderhofes«
besichtigt werden können.
1445, also verhältnismäßig spät, wurde das »warme
pad bey villach« erstmals schriftlich erwähnt. Eigentümer
waren die Bischöfe zu Bamberg, die die Badeanstalt bis 1721 an häufig
wechselnde Pächter vergaben und dafür stets exorbitant hohe
Ablösen kassierten. Mitte des 17. Jahrhunderts bestand der Betrieb
aus einem Wirtshaus mit zwei überdachten Bassins, in denen sich neben
den (zumeist nackten) Badegästen auch »vorzügliche Fische«
tummelten, sowie mehreren abgetrennten Kammern mit Badewannen. Damals
wurde der Ort Töplitz genannt, was seinem slowenischen Namen toplice
entspricht und Thermalbad bedeutet. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts konnte
das Schwimmbecken von der Straße aus eingesehen werden, was immer
wieder zur Volksbelustigung beitrug. Die einfachen Leute kamen, wie Johann
Weickhard von Valvasor 1688 beschrieb, »fast täglich aus Villach,
mehr aus Fürwitz, denn aus Noth« und waren den adeligen Stammgästen
und kirchlichen Würdenträgern ein Dorn im Auge. Schon 1584 hatte
sich ein Pächter über »unzichtiges handtwercksgesindt,
puebmen, pauren, khnecht und dergleichen« beschwert, die sich der
»unzucht und leichtfertigkeit« sowie des »goteslestern,
spritzen, pleschen und springen« schuldig gemacht hatten, wodurch
das Badewasser »trueb und khotig« geworden sei. Nicht minder
geschäftsschädigend waren Badegäste, die »mit offenen
Schäden und Gebresten behaftet« waren und damit »bei
den Vornehmen Abscheu« erregten. Ähnliches ist aus dem Jahr
1736 überliefert, als »inficiert geweste Soldaten« das
Warmbad heimsuchten und damit allgemeines »ekheln und grausen«
auslösten. Noch folgenschwerer trieben es die »allhie gelagerten
crabatischen oxentreiber«, die »am warmen bad einen wahren
greuel der verwüstung« verursachten.
Ende des 18. Jahrhunderts erwarb Lorenz Achatz, ein berüchtigter
Raufbold, den maroden Betrieb, um ihn schon nach kurzer Zeit gänzlich
herunterzuwirtschaften. Seine dritte Frau, Maria Antonia Bossi, »die
schöne und kluge Tochter eines italienischen Orgelbauers und Künstlers«,
gilt als »Urmutter« der heutigen Eigentümer-Familie.
Sie gebar Achatz drei Kinder, beerbte ihn 1814 – und konnte sich
mit Jakob Innozenz Walter, einem aus Fulda stammenden Apotheker, schlagartig
verbessern. Walter war im Tross Napoleons ins Land gekommen, der beabsichtigt
hatte, das Warmbad großzügig auszubauen, und nahm sich der
hoffnungslos verschuldeten Witwe gegen den Willen seiner wohlhabenden
Familie an. Der Badebetrieb war zu dieser Zeit fast zum Erliegen gekommen.
Die alten Badehütten drohten einzustürzen, und von zwei intakten
Fremdenzimmern ließ sich nur eines beheizen. Einzige nennenswerte
Einnahmequelle war eine kleine Landwirtschaft mit ein paar Wiesen und
dem Viehbestand von fünf Kühen und zwei Schweinen.
Als Jakob Walter 1824 die Sanierung des Bades in Angriff nahm, geschah
dies unter der Auflage des Kreisamtes, das öffentliche Nacktbaden
zu unterbinden bzw. für entsprechenden Sichtschutz zu sorgen. Also
wurde die Therme vollständig überbaut und das Publikum angehalten,
sich züchtig zu bekleiden. »Seither«, schrieb die Villacher
Zeitung, »sind Nacktbadende von der Reichsstraße nicht mehr
zu sehen und gibt es keine Peinlichkeiten mehr. Überhaupt soll fortan
das Baden nur noch im Kostüm erlaubt sein.«
War das Warmbad bis dahin eine äußerst bescheidene Anlage gewesen,
nahm diese nun eine rasante Entwicklung. Motor des Fortschritts war Jakob
Walters Erbe Ludwig, der – glaubt man der Chronik – den Besitz
geschickt zu vergrößern wusste, aber auch durch riskante Finanzmanöver
immer wieder an den Rand des Ruins brachte. Ein Gemälde aus dem Jahr
1847 zeigt den Ort als Großbaustelle. Binnen weniger Jahre entstand
eine neue Badeanstalt mit zwei steingefassten Schwimmbecken und wurde
ein Kurmittelhaus errichtet, das bereits 31 Gästezimmer, einen Speisesaal
und sogar einen Ballsalon besaß. 1862 erwarb Ludwig den benachbarten
Magdalenenhof, um ihn ebenfalls zum Gästehaus auszubauen. Auch die
ersten Parkanlagen entstanden zu dieser Zeit. »Das angenehmste,
konfortabelste, beliebteste und besuchteste Bad Kärntens ist die
Therme bei Villach«, schrieb die »Triester Zeitung«
im Jahr 1874. »Ist es die freundliche Aufnahme durch den Besitzer
und seine Familie, ist es die trauliche Wohnlichkeit, ist es die Geselligkeit,
welche unter den Badegästen herrscht, ist es die reizende Landschaft,
die großartige Alpennatur, die täglich zu Ausflügen und
Spaziergängen einlädt, ist es die Nymphe der kristallhellen
Quellen, welche den Badenden mit warmen, weichen Armen empfängt?
– Es ist alles zusammen, was den Aufenthalt so angenehm macht.«
Seit Eröffnung der k. k. Staatsbahn im Jahr 1873 erfreute sich Warmbad
eines nie dagewesenen Gästebooms. Der Ort hatte einen eigenen Bahnhof
erhalten, an dem alle internationalen Züge Halt machten und Herrschaften
aus ganz Europa ausstiegen. Ein Kuraufenthalt im »Walterhof«
war zur Prestigesache geworden.
Sein Goldenes Zeitalter erlebte Warmbad Villach zur Jahrhundertwende,
als die Geschäftsführung auf die vierte Generation, die Geschwister
Feldner, überging. Der Grundbesitz der Familie wuchs von 59 Hektar
auf 600 Hektar an und umfasste nun neben den Liegenschaften im Bereich
der Therme auch die ertragreichsten Wälder an den Hängen des
Dobratsch. Das Kurmittelhaus und der Karawankenhof wurden vergrößert
und im Stil der so genannten Wörthersee-Architektur adaptiert. Publikumsmagnet
war das zur Gänze erneuerte Hallenbad, das als das größte
Europas galt und mit hübschen Zwiebeltürmchen und einer Orangerie
ausgestattet war. Dazu kamen ein neues Freibad, ein »Criquetplatz«
und ein kleiner Zoo, der den Kurpark um ein exotisches Element bereicherte.
»Alles atmet in diesem Erholungsorte den heitersten Genuß
eines träumerisch poetischen Daseins«, schwärmten die
Villacher Nachrichten. Die Therme war zum noblen »Excellenzenbad«
aufgestiegen, in welchem sich hochrangige Militärs und Beamte mit
Mitgliedern des Hochadels trafen. Selbst der König von Sachsen und
Erzherzog Ferdinand trugen sich ins Gästebuch ein.
Geschäftsführer war zu dieser Zeit Oberst Georg Teppner, ein
glühender Patriot, der dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges förmlich
entgegen gefiebert haben dürfte. 1915, nach dem die »ehrlosen«
Italiener Österreich den Krieg erklärt hatten, warb er 2400
Freiwillige zur Sicherung der Kärntner Grenze an – schlecht
ausgebildetes Kanonenfutter, das bald der regulären Armee unterstellt
wurde und an der Front größtenteils den Heldentod fand. Den
Gefallenen zu Ehren heißt der Kurpark heute Kärntner Freiwilliger-Schützenpark
und lautet eine Inschrift an der Warmbader Kapelle: »Die Not der
Heimat war ihnen Befehl, die Treue zu Kärnten ihr Glaube.«
Nach dem verlorenen Krieg sah sich der Oberst einem neuen Feind gegenüber:
der notleidenden Bevölkerung, die sich anschickte, die Kuranstalt
zu plündern. Also forderte der Mann Gendarmerie an, um dem »Pöbel«
Beine zu machen.
Fünf Jahre später übernahm Tochter Gertrude den Betrieb,
deren Gatte, Alfred Tschamer, als Kur- und praktischer Arzt »besonders
im sogenannten windischen Land, von der Gail bis hinein in die Karawanken,
sehr beliebt [war] und deshalb ›König vom Windischen Reich‹
genannt« wurde. Vielleicht geriet die Kuranstalt aus diesem Grund
1938 ins Visier der Nazis und in Gefahr, als »volksfeindlicher Betrieb«
enteignet zu werden. Dagegen spricht, dass die Familienchronik wenig kritische
Distanz zum Hitler-Regime zeigt: »Die Hotels waren [von den Reichsdeutschen,
Anm.] zum Bersten voll (...), und es wäre schön gewesen, wenn
dies noch einige Zeit so weiter gelaufen wäre, doch leider kam der
unsinnige Krieg. (...) Trotz allem (...) erinnert man sich noch an die
schönen Zeiten. (...) Vor allem an das reizende Lied der Lilly Marleen,
das von Norbert Schultze komponiert und geschrieben wurde, auch ein Gast
im Warmbad Villach, eine Melodie, die man nie vergißt.« Ein
»fröhliches Treffen« gab es auch mit Otto Skorzeny, dem
»Befreier Mussolinis«.
Erst 1943 hatte der völkische Kurbetrieb ein Ende. Das Hotel wurde
beschlagnahmt und zum Ausweichspital für das Villacher Gaukrankenhaus
umfunktioniert. Sein Leiter, Adolf Lukeschitz, ehelichte Helga, die Tochter
des Hauses (»geheiratet wurde unter Bombendonner«), womit
der Familienbesitz einmal mehr gesichert werden konnte. Schwester Gerda
sollte nach dem Krieg Kenneth Elliot, einen britischen Offizier, zum Mann
nehmen und mit diesem den Josefinenhof ausbauen. Umso merkwürdiger
klingt, was die Familienchronik über die Zwangsarbeiter in Warmbad
Villach zu berichten weiß: »Kurz nach dem Einmarsch der Besatzung
hat so mancher polnische Gastarbeiter oder sonst ein sich im Krieg unterdrückt
Gefühlter gleich drei Leute im Warmbader Bereich von den Engländern
verhaften lassen.« Auch Lukeschitz sah sich als Nazi »denunziert«
und musste seinen Posten vorübergehend räumen.
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Therme ihren bisher
letzten radikalen Umbau, wobei »irrtümlich« eine zusätzliche,
besonders ergiebige Quelle angezapft wurde und nur mit Mühe gebändigt
werden konnte. Sie wurde schließlich »so gefasst, das ihre
segensreiche Schüttung unter der bezüglichen Stiege seit damals
zusätzlich in das Becken fließt«. Seither erneuert sich
das Wasser im Bassin alle drei Stunden, womit Warmbad Villach angeblich
den Weltrekord hält. Eine Besonderheit ist der natürliche, fast
weiße Kiesgrund des Beckens, aus dem das mit Edelgasen angereicherte
Wasser in perlenden Schnüren hochsteigt. Zur angenehmen Atmosphäre
tragen auch das elegante Holztonnengewölbe mit den halbkreisförmigen
Oberlichten und die schönen Marmorintarsien des surrealistischen
Malers Franz Rogler an der Südwand des Hallenbades bei.
Geteilter Meinung kann man über die baulichen Veränderungen
sein, die in den 60ern, nachdem die Tschamer-Töchter Helga (Lukeschitz)
und Gerda (Elliott) das Ruder übernommen hatten, getätigt wurden.
So wurde der Karawankenhof im Zuge seiner Vergrößerung sämtlicher
historischer Bauelemente beraubt und verwandelte sich der Josefinenhof
in eine gesichtslose Bettenburg. Auch der Warmbaderhof musste sich einen
wenig ansprechenden Anbau gefallen lassen, von dem sich heute nur noch
der (für damalige Begriffe) moderne Kursalon sehen lassen kann. Kein
Ruhmesblatt der zeitgenössischen Architektur ist jedenfalls die Adaptierung
des Karawankenhofes und der Ausbau der angeschlossenen »Erlebnistherme«
um 1980. Plumpe Dächer stülpen sich über einen hellblau
gemusterten Gebäudekomplex, der trotz großflächiger Glaselemente
seinen abweisenden Charakter kaum verbergen kann. Ähnlich misslungen
ist der 1989 errichtete Thermenhof, der Elemente des Biedermeier in postmoderner
Manier zu variieren trachtet.
Am besten logiert man daher – vorausgesetzt, man will es sich leisten
– im Warmbaderhof, der seinen fünf Sternen zumindest im neoklassizistischen
Haupttrakt gerecht wird und jüngst durch eine exzellente Wellness-Zone
bereichert wurde. Vorzüglich ist das »Kleine Restaurant«,
das sich der leichten Küche verschrieben hat und Jahr für Jahr
mit wenigstens einer Haube ausgezeichnet wird. Zählt das Hotel auch
längst nicht mehr zu den ersten Häusern des Landes, ist der
Glanz vergangener Jahre immer noch zu spüren. Da und dort stößt
man auf Spuren von Persönlichkeiten, die Warmbad Villach in der Zweiten
Republik ins Scheinwerferlicht rückten. Dazu zählten Bundespräsidenten
wie Adolf Schärf, dem im Kurpark sogar ein Denkmal errichtet wurde,
oder Franz Jonas, der ebenfalls Stammgast war. Mit Wehmut erinnert man
sich auch an Hollywood-Cowboy Cameron Mitchell, der gut dreißigmal
zu Kur und Erholung weilte. Harry Bellafonte ließ sich nur einmal
blicken. Heute wird das Haus, sofern nicht gerade eine Parteiklausur stattfindet,
eher von den ehemaligen Wählern bzw. Verehrern dieser Berühmtheiten
frequentiert, also von älteren Semestern, die in der glücklichen
Lage sind, sich über physische Abnützungserscheinungen mit ein
wenig Luxus hinwegtrösten zu können. Wer sich beim Fünf-Uhr-Tee
unter diese Leute mischt, könnte daher leicht in einen Erfahrungsaustausch
über Arthrosen, Krampfadern und Bandscheibenschäden hineingezogen
werden. Im günstigeren Fall gerät der Abend zur Zeitreise und
werden einem Lebenserinnerungen oder Geschichten aus besseren Tagen zu
Gehör gebracht. Es kann aber auch sein, dass man mit Klagen über
den allgemeinen Sittenverfall und unappetitlichen Bemerkungen über
das »ausländische« Personal konfrontiert wird. Dann ist
man vielleicht sogar froh, wenn man von einem einsamen, aber jung gebliebenen
Herzen zur Foxtrott-Prüfung aufs Parkett beordert wird.
Ein Minimum an körperlicher Mobilität bedarf es, um die Schönheiten
der Natur in der Umgebung des Warmbades erkunden zu können. Allen
voranzustellen ist die Studenca, eine Karstquelle, die sich nur nach der
Schneeschmelze und längeren Niederschlägen – dann aber
mit beeindruckendem Getöse – aus einem Felsschlund in den Laubwald
stürzt. Auch das so genannte Maibachl fließt nur temporär,
meist im Frühjahr, um dann mit einer Wassertemperatur von fast 30°
C zum Baden einzuladen. Als Naturdenkmal ausgewiesen ist das Egger-Loch,
das die größte erforschte Höhle des Dobratsch-Massivs
ist und angeblich von rund 90 verschiedenen Tierarten bewohnt wird. Besonders
reizvoll ist die Wanderung über die Napoleonwiese und entlang der
alten Römerstraße nach Oberfederaun, das von einer romantischen
Burgruine überragt wird. Von hier ist es nur noch eine halbe Stunde
zum Naturpark Schütt am Fuße des Dobratsch, wo sich nach dem
verheerenden Bergsturz im Jahr 1348 eine einzigartige Urwald- und Gerölllandschaft
ausgebildet hat. Der Aufstieg zum Gipfel über die Rote Wand und den
Jägersteig gehört zu den beeindruckendsten Bergwanderungen,
die Kärnten zu bieten hat. Noch spektakulärer ist der (ohne
Kletterhilfe mögliche) Aufstieg über den fast senkrecht aufragenden
Südhang des Villacher Hausberges. Am Gipfel angelangt, kann man darüber
rätseln, ob am Horizont, der über der Karawankenkette aufgetaucht
ist, nur ein blauer Dunststreifen liegt, oder vielleicht doch, wie Einheimische
behaupten, das adriatische Meer.
(Gerhard Pilgram) |