ERGÄNZENDE TEXTE

01. WARMBAD VILLACH/TOPLICE: SPURENSUCHE AM FUSSE DES DOBRATSCH
02. SOČA/ISONZO: DER KONSERVIERTE KRIEG
03. LIPICA: KULTURDENKMAL PFERD

01. WARMBAD VILLACH/TOPLICE: SPURENSUCHE AM FUSSE DES DOBRATSCH

Wer sich mit dem Gedanken trägt, zu Fuß von Kärnten nach Triest zu gehen, ist nicht schlecht beraten, sich in Warmbad Villach zu sammeln und im Thermalbad auf die Strapazen vorzubereiten. Denn mag der Ort auch auf den ersten Blick nicht sonderlich einladend wirken, wird man schon bald seine Vorzüge entdecken. Zu den angenehmen Seiten zählt neben der guten Gastronomie und dem vielfältigen Wellness-Angebot vor allem die schöne Lage am Fuße des Dobratsch, der eine der vielfältigsten Naturlandschaften Kärntens besitzt und damit mehr als einen Kurzaufenthalt wert ist. Dazu kommt, dass Warmbad Villach auf eine bemerkenswerte Geschichte zurückblickt, der nachzuspüren sich ebenfalls lohnt.
Ein Ort der Erholung ist Warmbad Villach seit Menschengedenken. Schon die Römer genossen hier, an der wichtigsten Verbindungsstraße zwischen Noricum und Rom, aller Wahrscheinlichkeit nach Badefreuden; möglicherweise wusste man aber schon in der Jungsteinzeit und in der Hallstattkultur die warmen Quellen zu schätzen. Dass die Kelten in unmittelbarer Nähe dutzende Hügelgräber hinterließen, dürfte auch kein Zufall sein.
Spätestens seit dem Mittelalter schreibt man dem Wasser, das aus den vulkanischen Tiefen des Dobratsch kommt und unter anderem mit radioaktivem Radon angereichert ist, heilsame Wirkung zu. Zwar zeigte sich Theophrastus Bombastus von Hohenheim alias Paracelsus von der Quelle nur mäßig beeindruckt – Harndrang war so ziemlich die einzige Wirkung, die er ihr zugestand –, doch empfahl dafür ein Zeitgenosse das Wasser als Therapie »gegen hitzige Gemütsbewegungen« sowie »gegen Leidenschaft und Verbrechen«. Auch der Abt von St. Paul lobte seine Heilkraft: »Es reinigt Nieren, Leber, Magen und Eingeweide, tut wohl, bringt Schlaf und treibt die Fäulnis aus.« Heute suchen Kurgäste mit rheumatischen Leiden, Gelenksschäden oder Störungen des vegetativen Nervensystems in Warmbad Villach wenn schon nicht Heilung, so doch Linderung und Trost.
So weit die Geschichte des Ortes zurück reicht, so dürftig sind ihre archäologischen Zeugnisse. Von den spärlichen Resten einer spätantiken Burg oberhalb des Ortes und den erwähnten Hügelgräbern abgesehen, finden sich kaum historische Bauten. Die Statue einer Göttin, zwei Altarsteine und eine Opferschale sind alles, was die Römer hinterließen. Spektakulär ist allerdings der Fund eines fast vier Meter hohen Haufens von Menschen- und Tierknochen aus der Hallstattzeit in einer Dobratschhöhle. Er wird von einigen Forschern als Beleg dafür gewertet, dass in dieser Zeit Menschenopfer dargebracht wurden.
Auch die Geschichte der letzten Jahrhunderte spiegelt sich kaum in den Gebäuden. Spurenelemente existieren nur in Form eines alten Stallgewölbes im heutigen »Karawankenhof« sowie des alten Gutshofes östlich der Bahntrasse. Fast scheint es, als hätten die Architekten und Bauherren der letzten Jahrzehnte nichts anderes im Sinn gehabt, als Warmbad Villach seiner historischen Wurzeln zu berauben. Erst seit wenigen Jahren nimmt man mehr Verantwortung für das geschichtliche Erbe wahr. Traditionsträger sind die Nachkommen der Familie Walter, die die wichtigsten Betriebe und Liegenschaften in Warmbad Villach besitzen und deren Geschicke seit sieben Generationen lenken. Eine im Jahr 1999 erschienene Familienchronik bietet neben allerlei Ahnenkult manch vergnüglichen Einblick in die Lokalgeschichte. Aufschlussreich sind auch die unzähligen Stiche, Gemälde und historischen Fotografien, die in den Fluren und Sälen des »Warmbaderhofes« besichtigt werden können.

1445, also verhältnismäßig spät, wurde das »warme pad bey villach« erstmals schriftlich erwähnt. Eigentümer waren die Bischöfe zu Bamberg, die die Badeanstalt bis 1721 an häufig wechselnde Pächter vergaben und dafür stets exorbitant hohe Ablösen kassierten. Mitte des 17. Jahrhunderts bestand der Betrieb aus einem Wirtshaus mit zwei überdachten Bassins, in denen sich neben den (zumeist nackten) Badegästen auch »vorzügliche Fische« tummelten, sowie mehreren abgetrennten Kammern mit Badewannen. Damals wurde der Ort Töplitz genannt, was seinem slowenischen Namen toplice entspricht und Thermalbad bedeutet. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts konnte das Schwimmbecken von der Straße aus eingesehen werden, was immer wieder zur Volksbelustigung beitrug. Die einfachen Leute kamen, wie Johann Weickhard von Valvasor 1688 beschrieb, »fast täglich aus Villach, mehr aus Fürwitz, denn aus Noth« und waren den adeligen Stammgästen und kirchlichen Würdenträgern ein Dorn im Auge. Schon 1584 hatte sich ein Pächter über »unzichtiges handtwercksgesindt, puebmen, pauren, khnecht und dergleichen« beschwert, die sich der »unzucht und leichtfertigkeit« sowie des »goteslestern, spritzen, pleschen und springen« schuldig gemacht hatten, wodurch das Badewasser »trueb und khotig« geworden sei. Nicht minder geschäftsschädigend waren Badegäste, die »mit offenen Schäden und Gebresten behaftet« waren und damit »bei den Vornehmen Abscheu« erregten. Ähnliches ist aus dem Jahr 1736 überliefert, als »inficiert geweste Soldaten« das Warmbad heimsuchten und damit allgemeines »ekheln und grausen« auslösten. Noch folgenschwerer trieben es die »allhie gelagerten crabatischen oxentreiber«, die »am warmen bad einen wahren greuel der verwüstung« verursachten.

Ende des 18. Jahrhunderts erwarb Lorenz Achatz, ein berüchtigter Raufbold, den maroden Betrieb, um ihn schon nach kurzer Zeit gänzlich herunterzuwirtschaften. Seine dritte Frau, Maria Antonia Bossi, »die schöne und kluge Tochter eines italienischen Orgelbauers und Künstlers«, gilt als »Urmutter« der heutigen Eigentümer-Familie. Sie gebar Achatz drei Kinder, beerbte ihn 1814 – und konnte sich mit Jakob Innozenz Walter, einem aus Fulda stammenden Apotheker, schlagartig verbessern. Walter war im Tross Napoleons ins Land gekommen, der beabsichtigt hatte, das Warmbad großzügig auszubauen, und nahm sich der hoffnungslos verschuldeten Witwe gegen den Willen seiner wohlhabenden Familie an. Der Badebetrieb war zu dieser Zeit fast zum Erliegen gekommen. Die alten Badehütten drohten einzustürzen, und von zwei intakten Fremdenzimmern ließ sich nur eines beheizen. Einzige nennenswerte Einnahmequelle war eine kleine Landwirtschaft mit ein paar Wiesen und dem Viehbestand von fünf Kühen und zwei Schweinen.
Als Jakob Walter 1824 die Sanierung des Bades in Angriff nahm, geschah dies unter der Auflage des Kreisamtes, das öffentliche Nacktbaden zu unterbinden bzw. für entsprechenden Sichtschutz zu sorgen. Also wurde die Therme vollständig überbaut und das Publikum angehalten, sich züchtig zu bekleiden. »Seither«, schrieb die Villacher Zeitung, »sind Nacktbadende von der Reichsstraße nicht mehr zu sehen und gibt es keine Peinlichkeiten mehr. Überhaupt soll fortan das Baden nur noch im Kostüm erlaubt sein.«
War das Warmbad bis dahin eine äußerst bescheidene Anlage gewesen, nahm diese nun eine rasante Entwicklung. Motor des Fortschritts war Jakob Walters Erbe Ludwig, der – glaubt man der Chronik – den Besitz geschickt zu vergrößern wusste, aber auch durch riskante Finanzmanöver immer wieder an den Rand des Ruins brachte. Ein Gemälde aus dem Jahr 1847 zeigt den Ort als Großbaustelle. Binnen weniger Jahre entstand eine neue Badeanstalt mit zwei steingefassten Schwimmbecken und wurde ein Kurmittelhaus errichtet, das bereits 31 Gästezimmer, einen Speisesaal und sogar einen Ballsalon besaß. 1862 erwarb Ludwig den benachbarten Magdalenenhof, um ihn ebenfalls zum Gästehaus auszubauen. Auch die ersten Parkanlagen entstanden zu dieser Zeit. »Das angenehmste, konfortabelste, beliebteste und besuchteste Bad Kärntens ist die Therme bei Villach«, schrieb die »Triester Zeitung« im Jahr 1874. »Ist es die freundliche Aufnahme durch den Besitzer und seine Familie, ist es die trauliche Wohnlichkeit, ist es die Geselligkeit, welche unter den Badegästen herrscht, ist es die reizende Landschaft, die großartige Alpennatur, die täglich zu Ausflügen und Spaziergängen einlädt, ist es die Nymphe der kristallhellen Quellen, welche den Badenden mit warmen, weichen Armen empfängt? – Es ist alles zusammen, was den Aufenthalt so angenehm macht.«
Seit Eröffnung der k. k. Staatsbahn im Jahr 1873 erfreute sich Warmbad eines nie dagewesenen Gästebooms. Der Ort hatte einen eigenen Bahnhof erhalten, an dem alle internationalen Züge Halt machten und Herrschaften aus ganz Europa ausstiegen. Ein Kuraufenthalt im »Walterhof« war zur Prestigesache geworden.
Sein Goldenes Zeitalter erlebte Warmbad Villach zur Jahrhundertwende, als die Geschäftsführung auf die vierte Generation, die Geschwister Feldner, überging. Der Grundbesitz der Familie wuchs von 59 Hektar auf 600 Hektar an und umfasste nun neben den Liegenschaften im Bereich der Therme auch die ertragreichsten Wälder an den Hängen des Dobratsch. Das Kurmittelhaus und der Karawankenhof wurden vergrößert und im Stil der so genannten Wörthersee-Architektur adaptiert. Publikumsmagnet war das zur Gänze erneuerte Hallenbad, das als das größte Europas galt und mit hübschen Zwiebeltürmchen und einer Orangerie ausgestattet war. Dazu kamen ein neues Freibad, ein »Criquetplatz« und ein kleiner Zoo, der den Kurpark um ein exotisches Element bereicherte. »Alles atmet in diesem Erholungsorte den heitersten Genuß eines träumerisch poetischen Daseins«, schwärmten die Villacher Nachrichten. Die Therme war zum noblen »Excellenzenbad« aufgestiegen, in welchem sich hochrangige Militärs und Beamte mit Mitgliedern des Hochadels trafen. Selbst der König von Sachsen und Erzherzog Ferdinand trugen sich ins Gästebuch ein.
Geschäftsführer war zu dieser Zeit Oberst Georg Teppner, ein glühender Patriot, der dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges förmlich entgegen gefiebert haben dürfte. 1915, nach dem die »ehrlosen« Italiener Österreich den Krieg erklärt hatten, warb er 2400 Freiwillige zur Sicherung der Kärntner Grenze an – schlecht ausgebildetes Kanonenfutter, das bald der regulären Armee unterstellt wurde und an der Front größtenteils den Heldentod fand. Den Gefallenen zu Ehren heißt der Kurpark heute Kärntner Freiwilliger-Schützenpark und lautet eine Inschrift an der Warmbader Kapelle: »Die Not der Heimat war ihnen Befehl, die Treue zu Kärnten ihr Glaube.« Nach dem verlorenen Krieg sah sich der Oberst einem neuen Feind gegenüber: der notleidenden Bevölkerung, die sich anschickte, die Kuranstalt zu plündern. Also forderte der Mann Gendarmerie an, um dem »Pöbel« Beine zu machen.
Fünf Jahre später übernahm Tochter Gertrude den Betrieb, deren Gatte, Alfred Tschamer, als Kur- und praktischer Arzt »besonders im sogenannten windischen Land, von der Gail bis hinein in die Karawanken, sehr beliebt [war] und deshalb ›König vom Windischen Reich‹ genannt« wurde. Vielleicht geriet die Kuranstalt aus diesem Grund 1938 ins Visier der Nazis und in Gefahr, als »volksfeindlicher Betrieb« enteignet zu werden. Dagegen spricht, dass die Familienchronik wenig kritische Distanz zum Hitler-Regime zeigt: »Die Hotels waren [von den Reichsdeutschen, Anm.] zum Bersten voll (...), und es wäre schön gewesen, wenn dies noch einige Zeit so weiter gelaufen wäre, doch leider kam der unsinnige Krieg. (...) Trotz allem (...) erinnert man sich noch an die schönen Zeiten. (...) Vor allem an das reizende Lied der Lilly Marleen, das von Norbert Schultze komponiert und geschrieben wurde, auch ein Gast im Warmbad Villach, eine Melodie, die man nie vergißt.« Ein »fröhliches Treffen« gab es auch mit Otto Skorzeny, dem »Befreier Mussolinis«.
Erst 1943 hatte der völkische Kurbetrieb ein Ende. Das Hotel wurde beschlagnahmt und zum Ausweichspital für das Villacher Gaukrankenhaus umfunktioniert. Sein Leiter, Adolf Lukeschitz, ehelichte Helga, die Tochter des Hauses (»geheiratet wurde unter Bombendonner«), womit der Familienbesitz einmal mehr gesichert werden konnte. Schwester Gerda sollte nach dem Krieg Kenneth Elliot, einen britischen Offizier, zum Mann nehmen und mit diesem den Josefinenhof ausbauen. Umso merkwürdiger klingt, was die Familienchronik über die Zwangsarbeiter in Warmbad Villach zu berichten weiß: »Kurz nach dem Einmarsch der Besatzung hat so mancher polnische Gastarbeiter oder sonst ein sich im Krieg unterdrückt Gefühlter gleich drei Leute im Warmbader Bereich von den Engländern verhaften lassen.« Auch Lukeschitz sah sich als Nazi »denunziert« und musste seinen Posten vorübergehend räumen.

In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Therme ihren bisher letzten radikalen Umbau, wobei »irrtümlich« eine zusätzliche, besonders ergiebige Quelle angezapft wurde und nur mit Mühe gebändigt werden konnte. Sie wurde schließlich »so gefasst, das ihre segensreiche Schüttung unter der bezüglichen Stiege seit damals zusätzlich in das Becken fließt«. Seither erneuert sich das Wasser im Bassin alle drei Stunden, womit Warmbad Villach angeblich den Weltrekord hält. Eine Besonderheit ist der natürliche, fast weiße Kiesgrund des Beckens, aus dem das mit Edelgasen angereicherte Wasser in perlenden Schnüren hochsteigt. Zur angenehmen Atmosphäre tragen auch das elegante Holztonnengewölbe mit den halbkreisförmigen Oberlichten und die schönen Marmorintarsien des surrealistischen Malers Franz Rogler an der Südwand des Hallenbades bei.
Geteilter Meinung kann man über die baulichen Veränderungen sein, die in den 60ern, nachdem die Tschamer-Töchter Helga (Lukeschitz) und Gerda (Elliott) das Ruder übernommen hatten, getätigt wurden. So wurde der Karawankenhof im Zuge seiner Vergrößerung sämtlicher historischer Bauelemente beraubt und verwandelte sich der Josefinenhof in eine gesichtslose Bettenburg. Auch der Warmbaderhof musste sich einen wenig ansprechenden Anbau gefallen lassen, von dem sich heute nur noch der (für damalige Begriffe) moderne Kursalon sehen lassen kann. Kein Ruhmesblatt der zeitgenössischen Architektur ist jedenfalls die Adaptierung des Karawankenhofes und der Ausbau der angeschlossenen »Erlebnistherme« um 1980. Plumpe Dächer stülpen sich über einen hellblau gemusterten Gebäudekomplex, der trotz großflächiger Glaselemente seinen abweisenden Charakter kaum verbergen kann. Ähnlich misslungen ist der 1989 errichtete Thermenhof, der Elemente des Biedermeier in postmoderner Manier zu variieren trachtet.

Am besten logiert man daher – vorausgesetzt, man will es sich leisten – im Warmbaderhof, der seinen fünf Sternen zumindest im neoklassizistischen Haupttrakt gerecht wird und jüngst durch eine exzellente Wellness-Zone bereichert wurde. Vorzüglich ist das »Kleine Restaurant«, das sich der leichten Küche verschrieben hat und Jahr für Jahr mit wenigstens einer Haube ausgezeichnet wird. Zählt das Hotel auch längst nicht mehr zu den ersten Häusern des Landes, ist der Glanz vergangener Jahre immer noch zu spüren. Da und dort stößt man auf Spuren von Persönlichkeiten, die Warmbad Villach in der Zweiten Republik ins Scheinwerferlicht rückten. Dazu zählten Bundespräsidenten wie Adolf Schärf, dem im Kurpark sogar ein Denkmal errichtet wurde, oder Franz Jonas, der ebenfalls Stammgast war. Mit Wehmut erinnert man sich auch an Hollywood-Cowboy Cameron Mitchell, der gut dreißigmal zu Kur und Erholung weilte. Harry Bellafonte ließ sich nur einmal blicken. Heute wird das Haus, sofern nicht gerade eine Parteiklausur stattfindet, eher von den ehemaligen Wählern bzw. Verehrern dieser Berühmtheiten frequentiert, also von älteren Semestern, die in der glücklichen Lage sind, sich über physische Abnützungserscheinungen mit ein wenig Luxus hinwegtrösten zu können. Wer sich beim Fünf-Uhr-Tee unter diese Leute mischt, könnte daher leicht in einen Erfahrungsaustausch über Arthrosen, Krampfadern und Bandscheibenschäden hineingezogen werden. Im günstigeren Fall gerät der Abend zur Zeitreise und werden einem Lebenserinnerungen oder Geschichten aus besseren Tagen zu Gehör gebracht. Es kann aber auch sein, dass man mit Klagen über den allgemeinen Sittenverfall und unappetitlichen Bemerkungen über das »ausländische« Personal konfrontiert wird. Dann ist man vielleicht sogar froh, wenn man von einem einsamen, aber jung gebliebenen Herzen zur Foxtrott-Prüfung aufs Parkett beordert wird.

Ein Minimum an körperlicher Mobilität bedarf es, um die Schönheiten der Natur in der Umgebung des Warmbades erkunden zu können. Allen voranzustellen ist die Studenca, eine Karstquelle, die sich nur nach der Schneeschmelze und längeren Niederschlägen – dann aber mit beeindruckendem Getöse – aus einem Felsschlund in den Laubwald stürzt. Auch das so genannte Maibachl fließt nur temporär, meist im Frühjahr, um dann mit einer Wassertemperatur von fast 30° C zum Baden einzuladen. Als Naturdenkmal ausgewiesen ist das Egger-Loch, das die größte erforschte Höhle des Dobratsch-Massivs ist und angeblich von rund 90 verschiedenen Tierarten bewohnt wird. Besonders reizvoll ist die Wanderung über die Napoleonwiese und entlang der alten Römerstraße nach Oberfederaun, das von einer romantischen Burgruine überragt wird. Von hier ist es nur noch eine halbe Stunde zum Naturpark Schütt am Fuße des Dobratsch, wo sich nach dem verheerenden Bergsturz im Jahr 1348 eine einzigartige Urwald- und Gerölllandschaft ausgebildet hat. Der Aufstieg zum Gipfel über die Rote Wand und den Jägersteig gehört zu den beeindruckendsten Bergwanderungen, die Kärnten zu bieten hat. Noch spektakulärer ist der (ohne Kletterhilfe mögliche) Aufstieg über den fast senkrecht aufragenden Südhang des Villacher Hausberges. Am Gipfel angelangt, kann man darüber rätseln, ob am Horizont, der über der Karawankenkette aufgetaucht ist, nur ein blauer Dunststreifen liegt, oder vielleicht doch, wie Einheimische behaupten, das adriatische Meer.
(Gerhard Pilgram)