Textproben

XXII. FEUERSALAMANDERUNG – Wanderung bei Manazzons

Diese kurze und familienfreundliche Wanderung ist bei (fast) jedem Wetter ein Erlebnis; sollte es regnen, teilt man das Vergnügen mit unzähligen »Weg­narren«, sprich Feuersalamandern. Geboten wird, was das Herz begehrt: muntere Bäche, romantische Wege, nette Ortschaften und eine osteria von der besten Sorte. Sie ist der Grund, warum man für das Gehen und Essen gleich viel Zeit einberechnen sollte.

Zu Beginn folgt man einem Sträßchen bergwärts, um erste Einblicke in die Schlucht des Torrente Pontaiba zu gewinnen. Gleich zweimal vertraut man sich altersschwachen Brücken an, dann fällt man in den Graben. Ein Seitenbach weist den Weg durch einen Urwald, der einst Kulturland war. Ein Geisterhaus erscheint. Kein Baum, kein Stein, der nicht bemoost ist. Zurück an der Oberfläche überrascht Celante di Vito mit einer gepflegten Häuserzeile. Palmen und Bananen zieren die Terrassen, drei Ziegen müssen sich mit einem schmalen Streifen Erde begnügen. Ein Stockwerk höher (und einige wütende Hunde weiter) erhebt sich Celante di Castelnovo über den dampfenden Wald. Nicht zu übersehen der Campanile von San Nicoló, überraschend nah die verschneiten Dolomiten. Wie Kraut und Rüben, aber durchaus bekömmlich, sind die Häuser in den Hang gebaut. Eine steile Treppe führt in den Wald, wo man im sanften Auf und Ab der Krönung des Tages zustrebt. Es ist die »Geschmackswerkstatt« von Manazzons mit ihrer schönen Aussichtsterrasse. Gemächlich wie der Tagliamento mäandern die Vorspeisen über den Tisch, erst nach dem secondo versiegt der Speichelfluss. So rundet man die Orgie mit einer grappa ab und ist entsprechend dankbar für den abschließenden Verdauungsspaziergang.

Foto: Gerhard Pilgram (»Wegnarr« auf der Flucht)