Wasserscheide | Raztok | Spartiacque
Cave del Predil_Raibl_Rabelj, 24. 05. 2003
von Dietmar Pickl

Und Gott sprach: es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, daß man das Trockene sehe....Und Gott nannte das Trockene Erde und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. (Genesis, 1, 9-10)

Liebe Freunde!
Wasser zu predigen ist mir aufgetragen worden, den Wein werden wir später gemeinsam trinken.
Der liebe Gott hat sich die Sache leicht gemacht, einfach die Ursuppe trennen und dann dafür einen Namen finden. Fertig.
Auch Thales, der Wasserphilosoph an der milesischen Küste liebt es kurz und bündig: Die Erde liegt auf dem Wasser, ergo ist das ursprüngliche Prinzip, die arch, eben das Wasser, er meint wohl das jonische Meer. Was sonst?
Unsere Frage lautet aber demgegenüber: Wie wird aus Wasser Meer? Und welches Wasser läuft in welches Meer? Und warum läuft just dieses Wasser in jenes Meer? Sie merken, die Fragen lassen sich nicht mit einem Halbsatz abtun. Lassen Sie mich daher ein wenig eintauchen in die Materie, bzw. in das Wasser.
Jedes Wasser hat a priori eine Entscheidung getroffen – die Entscheidung des Weges. Alle Wasser sind teleologisch prädestiniert: sie folgen zwanghaft, man kann auch sagen: wesensgemäß oder noch besser: naturgesetzmäßig dem jeweils tieferen Ort, sind angezogen von der Tiefe, suchen sich den Weg dorthin unter allen Umständen und immer, mag er auch nur auf Umwegen erreichbar sein, umständlich und langsam. Auf alle Fälle bergab. Nur nicht bergauf. Nicht einmal die kleinste Steigung will genommen werden, mit geradezu lächerlicher Lethargie wird jeglichem Widerstand ausgewichen, immer den Nullpunkt als Telos im Visier. (Ich klammere aus der Wasserpredigt aus verständlichen Gründen die Kapillaren und die Kommunizierenden Gefäße aus).
Die Tatsache des Aufsuchens des jeweiligen tieferen Ortes im allgemeinen löst jedoch noch nicht die Frage nach dem Aufsuchen des besonderen Orts. Anders gefragt: Warum rinnt die Drau nicht in den Atlantik und die Seine nicht in die Nordsee? Wer oder was entscheidet in diesen Beispielen? Augenscheinlich nicht das Wasser in seiner Lethargie und Trägheit.
Hier entscheidet die Scheide, scheidet die Wasserscheide, besser noch der Scheitel, der höchste Punkt, was hüben oder drüben, was rechts und links, was in welche Himmelsrichtung rinnt, was zum Schwarzen Meer, was zum Mittelmeer werden soll.
Die 3 Orte der SCHÖNEN ÖDE | LEPA PUS·C·A | BELLA BRULLA verbindet manches. Ihre Flüsse haben sich für den Pontus Euxinus, das Schwarze Meer entschieden. Die Save_Sava Dolinka_Sava von JESENICE_ASSLING, der Rio del lago von CAVE DEL PREDIL_RAIBL_RABELJ und der Feistritzbach_Bistrica in FEISTRITZ IM ROSENTAL_BISTRICA V ROZ·U gehen auf eine ca. 1.400 km lange Reise. Am Anfang getrennt, bald gemeinsam.
Nach Osten. In den Orient. Sie könnten es billiger haben, hätten sie den Süden gewählt, das mare adriaticum. Haben sie aber nicht. Lieber im immer breiter werdenden faulen Bett zu suhlen als in einer zügigen Wasserfahrt Gorizia_Görz_Gorica oder Trieste_Triest_Trst zu erreichen.
Hier galt und gilt es einzugreifen in den Fluß des Geschehens, in den Lauf der Dinge. Großräumige Umleitungen, Wasserscheidenüberwindung, Natureingriffe sind das Postulat des heutigen Tages.
Keine Angst: nicht Longarone, kein Assuanstaudamm, nicht einmal Köllbreinsperre! Aber: Solidarität und Unterstützung für die Wasser von JESENICE_ASSLING, CAVE DEL PREDIL_RAIBL_RABLJ und FEISTRITZ IM ROSENTAL_BISTRICA V ROZ·U.
In Gefäße gesperrt, deren Form die Wasser des Dreistromlandes fassen und die es dem Zwang des Verrinnens in die Tiefe entreißen, werden sie über die Wasserscheide gebracht und dem Mare Adriaticum übergeben. Dem Wasser seine Freiheit und einen Atemzug und Augenblick lang ist Anarchie arch.
Heraklit soll gesagt haben: Es ist unmöglich, zweimal in denselben Fluß hineinzusteigen.
Ich möchte hinzufügen: Ab jetzt ist es unmöglich vom Mittelmeer zu reden ohne das Schwarze Meer zu denken.
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