arrow_back Müllnern/Mlinare (Ortsbeschreibung, I. Etappe)
Das ehemalige Mühlendorf besitzt mit der Finkensteiner Eiernudelfabrik ein bemerkenswertes Industriedenkmal. Das auf den ersten Blick unauffällige Ensemble, bestehend aus ehemaligem Gewerkenschloss, Fabriksgebäude, Eiskeller, Arbeiterwohnhaus und Kleinkraftwerk, blickt auf eine über 400jährige Geschichte zurück. Sie begann mit der Errichtung eines Hammerwerkes, dessen protestantische Eigentümer im Zuge der Gegenreformation vertrieben wurden. In weiterer Folge diente das Werk als Getreidemühle, Schnapsbrennerei und Hefefabrik, ohne den wechselnden Eigentümern je viel Glück zu bringen. Der Durchbruch erfolgte erst im Jahr 1906, als der Bozener Nudelfabrikant Giuseppe Gregori – der bereits für die Verpflegung tausender Arbeiter beim Bau der Karawankenbahn gesorgt hatte – die Anlage erwarb und mit der Produktion von »tadellosen, wohlschmeckenden und in jeder Beziehung reinlichst erzeugten Teigwaren« begann.
Bald waren die »Finkensteiner Eiernudeln« – von denen es fast 50 verschiedene Sorten gab – im ganzen Kaiserreich ein Begriff. 80 Arbeiter erzeugten jährlich bis zu 2.500 Tonnen Teigwaren, die bis Budapest und in den Balkan, aber auch nach Italien exportiert wurden. Zwölf Jahre später – mit dem Zerfall der Monarchie waren die meisten Absatzmärkte verloren gegangen – hatte der Höhenflug ein Ende. Österreichs erste Nudelfabrik schlitterte in eine Krise, die sich zum Dauerzustand auswachsen sollte. Sichere Umsätze gab es nur im Dritten Reich, als die Nudelproduktion als »kriegswichtig« galt und staatlich gelenkt wurde. Auch die Partisan*innen deckten sich mit Finkensteiner Eiernudeln ein – mit vorgehaltener Pistole, aber angeblich gegen korrekte Bezahlung.
In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ging die Produktion unter dem Druck der ausländischen Konkurrenz rapide zurück; weitere Einbrüche gab es nach dem Beitritt Österreichs zur EU. Bald verschwanden die Finkensteiner Eiernudeln aus den Regalen der Supermärkte; beliefert wurden hauptsächlich Betriebsküchen und die Gastronomie. Der Jahresausstoß betrugt etwa 400 Tonnen. Die Zahl der Beschäftigten sank von 60 Frauen und ein paar Männern in den 1950ern auf sieben Personen um das Jahr 2000. Mittlerweile erlebt das Familienunternehmen eine erstaunliche Renaissance. 2013 wurde in moderne Produktionsanlagen investiert; Katharina Gregori, die Urururenkelin des Gründers, übernahm die Geschäftsführung. Produziert werden über 90 Nudelsorten mit vier Produktlinien, die von »reinen Nudeln« über »Eiernudeln« und »Bionudeln« bis zu »B’sonderen Nudeln« reichen. Auch die berühmten Buchstabennudeln dürfen nicht fehlen. »Alte und geheime Familienrezepte bilden die Grundlage der Pastakreationen«, heißt es auf der Webseite. Betont werden die hohe Qualität, sowie Nachhaltigkeit und Regionalität. Das Marketing ist professionell, die Verpackung ästhetisch ansprechend. Auch die Selbstdarstellung mit starkem Bezug zur Familiengeschichte wirkt sympathisch. Heute sind die »Finkensteiner« wieder in vielen Supermärkten erhältlich. Eine Erfolgsgeschichte ist auch der hauseigene Feinkostladen mit angeschlossenem Restaurant.
Auf Wunsch stellt die Firma auch maßgeschneiderte Nudeln her. So ließ sich etwa der Künstler Werner Hofmeister eine Edition von Q-Nudeln anfertigen und regte das Klagenfurter UNIKUM im Jahr 2007 die Produktion einer zweisprachigen Buchstabensuppe mit den slowenischen Zischlauten č, š und ž an. »Der regelmäßige Konsum von Hatscheks wirkt krampf­lösend, angstmindernd und stimmungsaufhellend. In der Folge werden Sprachbarrieren abgebaut und steigt die ­Bereitschaft zum Gebrauch bzw. zum Erlernen der zweiten Kärntner Landessprache«, hieß es im Beipacktext. Die entsprechenden Rezepte (eine Gedichtesammlung) steuerte der Kärntner Dichter Jani Oswald bei. Leider wurde die BUHŠTABENZUPE bald wieder aus dem Sortiment genommen.
EINKEHR:
Marktcafé. Es wurde 2006 im Erdgeschoß der Nudelfabrik eingerichtet und zählt zu den erfreulichsten gastronomischen Betrieben im Umkreis. Ein engagiertes Team kredenzt zu vernünftigen Preisen köstliche Nudelgerichte und Salate, zu Mittag gibt's ein Nudelmenü. Einheimische und Radfahrer*innen gehören zu den Stammkunden, manche Gäste kommen von weit her, um sich im gemütlichen Ambiente den Bauch vollzuschlagen und sich anschließend im Verkaufsraum mit Spezialitäten einzudecken. 0043 4257 22116, www. nudelfabrik.at/marktcafe

Bei Müllnern/Mlinare (Text & Foto: Gerhard Pilgram)