arrow_back Grahovo ob Bači/Gracovo (Ortsbeschreibung, XI. Etappe)
Auch die beiden am Nordufer der Bača gelegenen Nachbardörfer Koritnica und Grahovo ob Bači waren von den Gewalttaten der italienischen Faschisten und deutschen National­sozialisten nicht verschont geblieben. Eine Gedenktafel an der Fassade der ehemaligen Schule in Grahovo ob Bači erinnert an elf slowenische und zehn friulanische Geiseln, die am 11. Juli 1944 unweit der Pfarrkirche Sveta Ana hingerichtet wurden. Eine Zusatztafel, die im Jahr 1989 angebracht wurde, verdeutlicht in nüchternen Zahlen die Reichweite und Bedeutung der Widerstandsaktionen in dieser Gegend: »Im Rahmen einer breit angelegten alliierten Aktion zerstörten Einheiten des 9. Korps der slowenischen Volksarmee (NOV) zwischen 28. Juni und 2. Juli 1944 sieben Brücken und fünf feindliche Vorposten in der Baška grapa, setzten 353 feindliche Soldaten außer Gefecht und unterbrachen den Eisenbahnverkehr für fünf Monate.«
Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet hier bereits im Jahr 1947 mit den Dreharbeiten zum ersten abendfüllenden slowenischen Spielfilm Na svoji zemlji (Auf eigenem Land) begonnen wurde. Der Schwarzweiß-Streifen mit orchestralem Soundtrack erzählt die Geschichte des Befreiungskampfes der Partisan*innen und der Zivilbevölkerung gegen die italienische und deutsche Okkupation der Primorska. Das Drehbuch von Ciril Kosmač, der die faschistische Gewaltherrschaft aus eigener Erfahrung kannte, basiert auf historischen Tatsachen und zeichnet sich durch lebensnahe Darstellung der handelnden Personen aus. Nicht zuletzt trugen die führenden Filmschaffenden und die bekanntesten Schauspieler*innen ihrer Zeit zum Erfolg des Filmes bei, der erstmals im November 1949 in Ljubljana gezeigt und im selben Jahr auch bei den internationalen Filmfestspielen in Cannes einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Auf diese Weise rückte ein abgelegenes und kaum bekanntes, ärmlich-kleinbäuerliches Seitental, die Baška grapa, ins Zentrum des Geschehens. So aufmerksam wie argwöhnisch verfolgten die Bewohner*innen von Koritnica und Grahovo ob Bači die Arbeiten am Set, unterstützten jedoch das Filmteam laut Zeitzeugen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und stellten gleichzeitig den Großteil der Statisterie. In einem Interview erinnert sich der damals 27jährige Regisseur France Štiglic an die Dreharbeiten: »Die Dorfbewohner wollten unbedingt mitmachen, zumal der Film zeigte, was sie selbst erlebt hatten. Sie sagten uns, dass es bei der Kapitulation genau so war, wie wir es gefilmt hatten. In ihrem Dorf wurden Geiseln erschossen und gehenkt. Sie unterstützten die Armee bei Sabotageakten an der Eisenbahnlinie und bei Angriffen auf die Militärstützpunkte im Dorf. Sie lebten sich in die Szenen ein, während sie gefilmt wurden. Und nicht nur das, sie waren auch scharfe Kritiker von allem, was sie für nicht authentisch hielten.«
Na svoji zemlji blieb in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht nur im Gedächtnis slowenischer (und jugoslawischer) Cineast*innen, sondern gilt bis heute als identitätsstiftender Meilenstein des slowenischen Filmschaffens. Zahllose Publikationen sowie Wort- und Bilddokumentationen zeugen von einer breiten Rezeptionsgeschichte des Werks. Seine Bedeutung unterstreicht auch die im Jahr 1975 feierlich enthüllte Holzskulptur des Bildhauers Peter Jovanovič in Grahovo ob Bači. Es ist das einzige Denkmal in Slowenien, das einem Film gewidmet ist. Aus konservatorischen Gründen musste die Originalplastik in das Kinogledališče (Kinotheater) in Tolmin überstellt werden, eine wetterfeste Kopie des Objekts ist in Arbeit und wird in nächster Zeit im Ortszentrum von Grahovo ob Bači aufgestellt.
Eine bunte Schar noch lebender Mitwirkender fand sich auch im Jahr 2008 ein, als aus Anlass des 60jährigen Filmjubiläums eine Ausstellung zunächst in Tolmin, später in Grahovo ob Bači eröffnet wurde. Sie ist bis heute in den Räumlichkeiten der Krajevna skupnost Grahovo ob Bači gegen Voranmeldung zu besichtigen (KTT društvo Baška dediščina, 00386 41 601248). Es besteht auch die Möglichkeit, sich den Spielfilm ebenda im ­O-Ton anzusehen.
Das umfangreichste und nachhaltigste Projekt zum Film wurde nach zweijähriger Vorbereitungszeit vom Kulturverein Baška dediščina in Grahovo ob Bači realisiert: Tematska pot (der Themenweg) Na svoji zemlji. Im Jahr 2012 übergab die Grande Dame des slowenischen Films, Štefka Drolc (1923–2018), zugleich weibliche Hauptdarstellerin, den Parcours seiner Bestimmung. In acht Stationen zwischen Koritnica, Bukovo und Grahovo ob Bači wird die Entstehung des Films nachgezeichnet. Schautafeln mit Schwarzweiß-Fotos und Texten lassen die Dreharbeiten von sieben Schlüsselszenen an den Originalschauplätzen Revue passieren. Zudem zeugen die ausdrucksstarken Fotos des Landschaftsfotografen Erminio del ­Fabbro, der die Dreharbeiten in mehr als 2.000 Bildern festhielt, von den kargen Lebensumständen der Bevölkerung in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre. Eine umfangreiche Internetseite (www.tpnasvojizemlji.si) und ein Folder ergänzen den empfehlenswerten Themenweg.
Die berührendste und traurigste Szene des Films ist auf der Schauftafel Nr. 6 oberhalb von Koritnica dargestellt: SS-Mann Kutschera selektiert vor den Augen aller Dorfbewohner*innen vier Geiseln zur Hinrichtung, darunter eine junge Mutter. Um diese vor dem Tod zu bewahren, tritt die ältere Angela Gradnik vor und bietet im Abtausch das eigene Leben an. Bevor sie zur Exekution schreitet, spricht sie die Worte: Sezula se bom, ker grem poslednjič po naši zemlji. (»Ich ziehe meine Schuhe aus, weil ich zum letzten Mal über unsere Erde gehe.«).
EINKEHR:
Okrepčevalnica pri Brišarju. Sechs Waschbetontröge trennen die Außentische von der Durchzugsstraße, vergleichsweise heimelig ist es im Inneren. Klobasa mit Sauerkraut kann empfohlen werden, und das seit dem Jahr 1898! Zielpublikum sind Biker*innen und neuerdings auch Hiker*innen am Juliana-Trail. Entsprechend groß ist das Gerangel um die raren Zimmer. Wer nicht reserviert hat, ist auf den Zug nach Most na Soči (oder Bohinjska Bistrica) angewiesen. 00386 5 3804801

Eingang zur Kirche von Grahovo ob Bači (Text: Emil Krištof | Foto: Gerhard Pilgram)