Elke Laznia
Vom Verlust
oder: Im Traum ist Kanaren eine Insel

Mir träumte, ich sei an einem Ort, der still ist und Trost, Nebel liegt auf dem Ort, im Traum ist es November, im November ist Kanaren eine Insel ist der Lisnaberg eine müde alte Hündin, sie legt ihren schweren Kopf auf die angewinkelten knochigen Beine, der Herzschlag sichtbar durch das schüttere Fell, die dünne Haut, schließt die Augen und atmet die Nacht, ein und aus atmet sie die Nacht, in meinem Traum ist Kanaren im November eine Insel ist Ruden eine Insel, über drei Berge musst du gehen, und es sind zwei Brücken über die Drau und eine Brücke über den Wölfnitzbach in Lippitzbach, in Lippitzbach fließen der Wölfnitzbach und kleinere Rinnsale in die Drau, und wir zählen die Brücken, die wir bauen und begehen können, die uns tragen und geben ihnen Namen, die uns nicht liegen, aber dazu später später, kommen wir auf die Hündin zurück, sie schläft, hat viele Jahre auf dem Buckel, im November ist Kanaren eine Insel ist Ruden eine Insel und der Nebel war das Meer, ich hätte den Nebel schneiden können, als ich dort war, alles war durchdrungen, durchzogen von ihm, selbst in den Zimmern hockte er, als wartete er, dass wir ihn ernten, einholen, dass wir Brot aus ihm machen, dass wir Brot aus dem Nebel formen, ihn essen und trinken, es war im Traum November, und ich hatte eine schwere Tasche und immer dieses Erinnern, das Zurücklassen, wen auch immer, beim Wegfahren, und das Ankommen, wo auch immer, das Eintreffen, aber nicht ganz, nicht recht und immer so auswärtig in der eigenen Haut, eine Ausländerin im eigenen Gebiet, eine Fremde im eigenen Haus, so ist es immer, weiß zumeist nicht, wohin mit mir, wohin mit den Händen, Worten, Blicken, und was ich da verloren hab, und dieser Nebel, greifbar und flockig, im Haar, als feuchter Film auf der Jacke, klamme Hände, angelaufene Brillengläser, und kein Mensch, nur die schlafende alte Hündin auf der Insel, im November ist Kanaren eine Insel ist Ruden eine Insel; […]
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Foto: Verena Gotthardt | In Kanaren/V Kanareh