ANNA BAAR
Gallizien / Galicija auf Um- und Abwegen – Ein Wachtraum vom Land der Apačen

»Es geht die alte Sage von einer verwunschenen Jungfrau. Einem Hirtenbuben war sie vorzeiten erschienen, hatte ihm versprochen, ihn üppig zu belohnen, so er sie vom Zauber erlöse. Er müsse dazu nur das erstbeste Wesen küssen, das ihm auf dem Heimweg begegne. Als er die Kühe heimtrieb, lag auf dem Schotterweg eine bekrönte Schlange. Und als der Hirtenbub zu Tode erschrocken zurückwich, stand wieder das Mädchen vor ihm und sprach mit trauriger Stimme: »Nun muss zu Wildenstein erst eine Fichte mit drei Wipfeln heranwachsen. Aus ihrem Holz wird die Wiege meines ­Erlösers geschnitzt sein.«
He du an der Haltestelle, hast du den Bus versäumt oder hat er Verspätung?
Um und über die Dörfer, querfeldein, mittendurch – und immer den Umweg nehmen. Wer irrt, kommt an den Ort seiner wahren Bestimmung. Verirre dich tunlichst, täglich! Pfeif auf Tempo und Kompass, aber umreiß die Kontur. Andere sagen Grenze. Nimm die Karawanken, den Hochobir, die Košuta, nenne sie Beskiden, Sveti Vid, Hohe Tatra, wie einst als Vorschulschulkind, da die Berge hießen, wie du allein es bestimmtest. Sagen wir, sagtest du zu deinen Spielgefährten, Das ist der Hohe Atlas, und beim nächsten Mal: Feuerberg, Kilimandscharo ... Jedes Ding durfte alles und musste gar nichts heißen. Wo ein Apfelbaum stand, erntetest du Oliven, und unter Feigenbäumen Birnen und Ringlotten. […]
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Foto: Verena Gotthardt | Bei Gallizien/Pri Galiciji