ZUM BUCH

Mit der Sattnitz/Gure liegt vor den Toren Klagenfurts/Celovec ein unscheinbarer Bergrücken, der sich bei näherer Betrachtung als Kulturlandschaft von großem Reiz erweist. Ihre Schönheit verdankt sie der geologischen Eigenheit, der vielfältigen Vegetation sowie der bäuerlichen Prägung.
Auch als zweisprachiges Siedlungsgebiet mit eigenen Dialekten und slowenischen »Sprachinseln« ragt sie heraus. Die Kultur der Volksgruppe hat hier noch einen hohen Stellenwert.

Das neunte WANDER-REISE-LESEBUCH des UNIKUM erkundet die Sattnitz/Gure auf 18 Wanderungen und beleuchtet dabei ihre Geschichte und Alltagskultur.

› 18 Wanderungen
› 72 Ortbeschreibungen
› 31 Einkehrtipps
› Fotos und Kartenskizzen

Foto: Gerhard Pilgram (Blick von Kreuth/Rute Richtung Petzen/Peca)

Vorwort

Wer über die Dauer eines ganzen oder auch nur halben Sommer­tages bestimmen kann, der versäume nicht, einige Stunden des­ selben auf den Höhen der Sattnitz zuzubringen. Gänzlich getrennt und abgeschieden von dem Treiben in der Stadt, findet er auf dem breiten Rücken derselben tausendfach wechselnde Bilder ländlicher Stille. Es bedarf wirklich keiner sentimentalen Schwärmerei, um bei dieser Gelegenheit Momente des reinsten Genusses der vollsten Befriedigung zu finden.
Joseph Wagner: Klagenfurt und seine Umgebungen. Ein Wegweiser für Fremde und Einheimische, Klagenfurt 1849
Dieses Buch entstand in den ersten eineinhalb Jahren der Corona-Pandemie. Da während der Lockdowns Wanderungen im Ausland kaum möglich waren, lag es nahe, wieder einmal die engere Heimat zu Fuß zu erkunden und damit an die ersten Wander-Reise-Lesebücher des UNIKUM anzuknüpfen. Die Wahl fiel auf den Sattnitzrücken, der buchstäblich vor den Toren von Klagenfurt/Celovec liegt und schwerlich als Terra inkognita bezeichnet werden kann. Es wurde dennoch eine Entdeckungs- reise. Mehrmals wöchentlich war ich auf dem schmalen Gebirgs- zug zu Fuß unterwegs, und jedesmal kam ich mit neuen Eindrü- cken zurück. Eine vermeintlich bekannte Gegend erwies sich als Schule der Wahrnehmung, der Mangel an Bewegungsfreiheit als Anstoß zur Horizonterweiterung. Und so ist aus dem geplanten »schmalen Bändchen« doch wieder ein üppiges Buch geworden.
Die Vorzüge der Sattnitz/Gure für Wanderungen sind mannigfaltig. An erster Stelle steht ihre landschaftliche Schön- heit, die sie den besonderen geologischen Gegebenheiten und der kleinteiligen Kulturlandschaft verdankt. Vorherrschende Elemente sind schroffe Felswände, bewaldete Steilhänge und schattige Gräben sowie stark gegliederte Hochplateaus mit weit- läufigen Rodungsinseln. Letztere bezeichnen offene Flächen, die vor Jahrhunderten geschaffen wurden, um als Weide- oder Ackerland genutzt zu werden. Zu Recht zählt man die Trocken- und Streuobstwiesen der Sattnitz/Gure zu den schönsten ihrer Art in Kärnten. Von ihnen bieten sich, wie auf Almen über der Baum- grenze, wunderbare Fernblicke in alle Himmelsrichtungen. Romantische Gemüter (zu denen auch ich mich zähle) erfreuen sich zudem an sprudelnden Quellen, murmelnden Bächen und stillen Gewässern.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Sattnitz/Gure als zweisprachiges Siedlungsgebiet. Die Orts- und Flurnamen sind uraltes slowenisches Kulturgut und bereits für sich eine Bereicherung. Zudem gibt es slowenische »Sprachinseln«, in denen die Kultur der Kärntner SlowenInnen besonders lebendig geblieben ist, sei es im Vereinswesen, sei es in der Alltagskultur. Um die nationale Identität wurde hier besonders heftig gerungen, über Generationen Widerstand gegen den Deutschnationalismus geleistet. Dazu kommt der bewaffnete Kampf gegen den Nationalsozialismus, der – was wenig bekannt ist – auch nördlich der Drau/Drava geführt wurde. Zeugnisse dieser Ereignisse finden sich in vielen Ortschaften auf der Sattnitz/Gure. Auch das ist ein Anliegen dieses Buches (und soll nicht zuletzt sein Titel andeuten): einsprachigen KärntnerInnen die Geschichte und Kultur der »Minderheit« näher zu bringen. Denn mögen alte Feindbilder mittlerweile überwunden sein, ist die Ignoranz gegenüber der Volksgruppe immer noch groß.
Ein ganz anderes, nämlich trauriges Kapitel ist die Baukultur auf der Sattnitz/Gure. Durch seine Nähe zur Landeshauptstadt ist das Gebiet von Zersiedelung besonders in Mitleidenschaft gezogen. Alte bäuerliche Architektur verschwindet von der Bildfläche, stattdessen nehmen gesichtslose Einfamilienhäuser überhand. In beängstigendem Tempo werden Keller ausgehoben, brutale Böschungsmauern aufgetürmt und schauderhafte »Festungen« hochgezogen. Stimmige Ortsbilder sind eine Seltenheit geworden. Architektur, die Bedacht auf ihre Umgebung nimmt und traditionelle Baufomen zeitgenössisch transformiert, ist nur in Spurenelementen vorhanden. Politische Maßnahmen gegen Landschaftsfraß und Bodenversiegelung wären von enormer Dringlichkeit.
Die 18 in diesem Buch vorgeschlagenen Wanderungen erschließen die Sattnitz/Gure nahezu flächendeckend. Die thematischen Schwerpunkte ergeben sich aus den jeweiligen Ortsgeschichten. Manche gehen ins Detail, um ein möglichst lebendiges Bild zu zeichnen. In anderen Fällen wurde mit Alltagslegenden oder Ausschmückungen nachgeholfen. Johann Weichard von Valvasor und Baron Münchhausen standen dabei Pate. Der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit wird nicht erhoben, wohl aber der auf subjektive Wahrheiten. Ob die Texte den Orten tatsächlich gerecht werden, mögen die BewohnerInnen beurteilen. Dass sich die Recherchefehler in Grenzen halten und das Urteil der LeserInnen nachsichtig ausfällt, bleibt zu hoffen.
Das Ziel der Routenauswahl bestand darin, die schön­sten Gegenden und interessantesten Ortschaften der Sattnitz/Gure möglichst abwechslungsreich miteinander zu verbinden. Wo sich Asphaltabschnitte und öde Siedlungen nicht völlig vermeiden ließen, wurde umso mehr auf die Dramaturgie Wert gelegt. Weitere Kriterien waren die Qualität der Wege, die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Einbeziehung der Einkehrmöglichkeiten. Jede Gaststätte habe ich aufgesucht, und keine einzige möchte ich missen.
Dass auf der Sattnitz/Gure zu jeder Jahreszeit gewandert werden kann, ist ein weiterer Pluspunkt. Selbst im Tiefschnee sind die meisten Wege rasch ausgetreten. Mit den Wegbeschreibungen und den Übersichtskarten sollte die Orientierung kein Problem sein. Wer sich trotzdem verirrt, freue sich über den Erlebnisgewinn. Voraussetzung sind festes Schuhwerk, robuste Kleidung und Regenschutz. Gegen Dornenranken auf verwachsenen Wegen hilft eine Gartenschere.
Großer Dank gebührt meinen Koautoren Wilhelm Berger, Werner Koroschitz und Emil Krištof, weiters den Lektorinnen Tina Hofstätter und Annemarie Pilgram, dem Korrektor Bruno Taxen­bacher sowie allen WegbegleiterInnen, Testwander­innen und -wanderern, die im Anhang namentlich genannt werden. Auch der vierbeinigen Frieda, die mich vor Wölfen und Bären beschützt hat, bin ich zu Dank verpflichtet.
Gerhard Pilgram,
Klagenfurt/Celovec im Herbst 2021