Der »Qualitätsberater« und »Politwissenschaftler« Viktor Rogy[1] hat die Implosion der schwarz-blau getürkten Regierung vorhergesehen. Seine Diagnose lautete schlicht und einfach:

         »wenn ein trottel auf urlaub fährt, kommt er als trottel zurück.«[2]

Aufs Verkehrsmittel kommt‘s da vermutlich nicht an. Das könnte auch ein Pferd sein.

Den größeren Zusammenhang hat Rogy, ohne die Videoaufnahmen aus Ibiza zu kennen, schon 1982 so formuliert:

        »WÄREN POLITIKER SCHWEINE

        MÜSSTE MAN AUF SCHWEINE VERZICHTEN«[3]

Schweine sind für politische Tätigkeiten und Funktionen denkbar schlecht ausgerüstet. Sie sind intelligent, sozial, feinfühlig und prinzipiell reinlich. Nur der Mensch macht sie zur Sau. Schauen Sie sich dagegen den abgefüllten, schwitzenden hyperventilierenden Möchtegernputschisten im Leiberl auf dem spanischen Diwan an. Schweine können nicht einmal transpirieren.

        Deshalb zieht Rogy eine andere Lösung in Erwägung. Er stellt die Frage:

»Wie Politik abschaffen?: Abschaffen!!«[4] und er fertigt gleich einen Stempel mit eben dieser Handlungsanleitung an.

        Es ist ein Vorgang vergleichbar der Sprengung von Hochhäusern, die Rogys ästhetischem und architektonischem Empfinden widersprachen. Er tilgte die in seinen Augen missglückten Bauten, z.B. das Rothauer Hochhaus am Villacher Ring in Klagenfurt, indem er sie auf einer Abbildung zweimal kräftig durchstrich.[5] Vom Interviewer gefragt:

        »schmid: du hast häuser gesprengt, die aber noch dastehen …«, antwortete

        »rogy: die hochhäuser villacherstraße 1a in klagenfurt u. lentia in linz die ich  geistig sprengte stehen nun als denkmäler dieser sprengungen da«.[6] 

Das legt eine Spur. So gesehen stehen die Politiker, auf die man als Schweine verzichten müsste, was aber wegen der Schweine nicht geht, zumindest als Denkmäler ihres eigenen Falottentums da. Namen gefällig? Doch nicht hier in Kärnten, dem Eldorado des politischen Defraudantentums, der Heimstatt der politischen Gauner und Gangster. Am Rand der Ausfallstraßen brennen Tag und Nacht die Kerzen zum ewigen Gedächtnis und als Denkmal für die gestaltende Kraft des Alkohols in der österreichischen Politik, die sich ja auch auf Ibiza wieder bewährte. Bekanntlich sprechen Besoffene und Narren die Wahrheit. Die Trottel waren besoffen, das stimmt, aber es war keine »b‘soffne G’schicht«, sondern ihr wahres Gesicht.

        Der feinsinnige, sensible Künstler Viktor Rogy kannte, wenn es um Politik ging kein Halten. Eine kleine Auswahl:

 

        »ich werde mich bemühen, so wenig wie möglich zu übertreiben, gesindel«

 

        »küchentischler (vom wagner zum küchentischler kunst ist ihm fremder als  aasgeiern kärntner kasnudeln und jeder der rot eiertanzt d.h. rot pardon ihn wählt bekommt nach poldis reiflicher und reichlicher überlegung a ruhige kuchl eine ruhige küche er und seinesgleichen sind echte tote)«[7]

 

        »politiker ist fickangestellter ochse«[8] 

 

        »politiker und politik scheißwort für stotterer popo«[9]

 

        »natur kann dich lehren politiker dürrer ast«[10] 

        

        »freundschaft (sozialistenkaputtziner)[11]

 

        »Politik ist ein Leichenhaus«[12]

                

        »von hitler gefiel mir seine liebe zum eintopf von hans sima [für die Jüngeren: ehemaliger Landeshauptmann] gefällt mir nur meine zeichnung«[13]

 

Und, auch das gehört zum Thema:

        »+ wer nicht ein 2tesmal geboren

        ist ein arsch mit ohren«[14]

 

Doch um den Zweizeiler in seiner existenziellen Dimension zu begreifen, müssen wir zum Eintopf- und Menschenfresser zurück. Es genügt vollauf, die zehn Zeilen Kriegsbiographie in Viktor Rogys Werkbuch I love you/PRIVATFILM zu lesen, in denen es ausschließlich um Zwang, Willkür, Gewalt, Zerstörung, Terror, Lazarettaufenthalte, Kriegsgerichtsdrohungen u.ä. geht.[15] Es genügen diese zehn von ihm geschriebenen Zeilen, um zu verstehen und nachzuempfinden, dass man Rogy mit Druck, Zwang, Vorschrift, Repression und Drohung, nicht mehr zu kommen brauchte, nachdem der geheime, von ihm kolportierte Gruß »heil hitler, der hund ist tot« endlich Wahrheit geworden war.[16] Rogy nennt sich selber einen Zwangssoldaten und er war als Deserteur Todeskandidat. Die Befreiung durch die Amerikaner hat ihn vor dem Galgen gerettet. Da wurde er zum zweiten Mal geboren. Sein Vater ist von den Nazis ermordet worden. Das blieb bestimmend.

        Und dann begegneten ihm, zurück in Kärnten, bei nahezu jeder seiner Aktionen, sei sie künstlerisch, sei sie politisch, in der Regel waren sie beides, begegneten ihm wieder Zwang, Drohung, Intoleranz, Unverständnis, Polizei und Staatsgewalt. »heil hitler, der hund" war mitnichten tot. Er geisterte vielmehr, nostalgisch verklärt, als politischer Coach noch jahrzehntelang durch Kärntner Köpfe und Amtsstuben. – Das bekam Rogy zu spüren, wenn er, wie andere auch, nur vielleicht dezidierter und mit nicht genehmigten Plakataktionen und ins Mark treffenden Sprüchen beispielsweise für die Erhaltung des Pavillons auf dem Hans Gasser Platz in Villach oder des Rondeaus auf dem Heiligengeistplatz in Klagenfurt eintrat. Das war ein Match Kunst gegen Macht mit in Kärnten vorhersehbarem Ausgang: Niederwerfen auf offener Straße durch Polizisten, Verhaftungen, Prozesse, psychiatrische Gutachen, Entmündigungsanträge, Kostenersatz für die Verunreinigung von Uniformen, Nichtberücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen und so weiter.[17] 

        1982 versah Rogy ein Foto des Privathauses von Leopold Wagner mit der Unterschrift: »Kärntner Kulturreferent, nix Kultura«.[18] Damit hatte er den Nagel wohl auf den zuständigen Kopf getroffen. Wagner, der sich noch als Landeshauptmann rühmte, ein hochrangiger HJ gewesen zu sein, war eine zweite Geburt verwehrt geblieben.

        Apropos Kopf und Köpfe. Denkwürdig auch der letzte Akt. Das brutale politische Kesseltreiben gegen Viktor Rogys und Bella Bans preisgekröntes und international bewundertes Café OM ab dem Jahr 2000. Die fadenscheinige Kündigung des Mietvertrags durch den haiderhörigen, scheinheiligen Bürgermeister Scheucher – hab ich mich jetzt versprochen? – und die Anzeige wegen NS-Wiederbetätigung durch die FPÖ. Ausgerechnet die! Immerhin wussten sie, wovon sie sprachen. Der Grund für die Vernichtungsaktion: Ein Plakat der ÖVP-FPÖ-Regierung Schüssel I im Fenster des Cafés. Die Köpfe der Regierungsmitglieder, von denen nachmals einige bekanntlich mit Gerichten und Gefängnissen Bekanntschaft machten, hatte Rogy künstlerisch nachbearbeitet: Mit Ernst Jandl‘schem »stirnscheitelunterschwang«[19] und Charly Chaplin‘schem Hitler-Bärtchen. Haiders Gesicht schmückten spiegelverkehrte Hakenkreuze. Eins-zu-eins-Nazi war er ja keiner. Dazu die Information im Fenster: »Hier gibt es keine Jauche zu trinken nazis raus«.[20] Was die ÖVP Stadtpolitiker im Verein mit der Haider-FPÖ bezweckten, und was Ihnen letztlich auch gelang, war die Zerstörung eines von der internationalen Öffentlichkeit von Mailand über London bis New York bewunderten Gesamtkunstwerks und damit die Disziplinierung, der finanzielle Ruin und die moralische Diskreditierung zweier unliebsamer, selbstbewusster Künstler. Er nicht zufällig ein Deserteur. Das Atmosphärische dieses Kesseltreibens ist in einem Bericht der deutschen Illustrierten ‚Stern‘ (Nr. 13/2000) dokumentiert:

         »Auch das ist Kärnten: Zweimal ist die Polizei vorbeigekommen. Das müsse  weg. Rogy: Nein, das bleibt, das ist ein Kunstplakat. Polizei: Ach so. Dann passen Sie aber gut auf sich auf.«[21] 

Die Vernichtung des Café Om, zusammen mit der politisch vorsätzlichen Vernichtung der Ritter-Kunsthalle und des zugehörigen Verlags 1996[22] gehören zu den erschreckendsten und nachhaltigsten Leistungen einer autoritären, naziverseucht-volkstümelnden Kulturpolitik, die mafiöse Züge trug. Das ist keine Zuspitzung. Ich weiß wovon ich spreche. Noch 1997 hat die Stadt Klagenfurt, ebenfalls unter Bürgermeister Scheucher, eine Subventionszusage für ein Symposium am Musil-Institut zurückgezogen, weil bei der feierlichen Eröffnung des Instituts ein slowenischer Autor fünf Sätze auf Slowenisch gesprochen hatte – in denen er seinen anwesenden Landsleuten erklärte, weshalb er die Festrede auf Deutsch halten werde. Das alles ist immerhin 20 Jahre her, sagen Sie, das ist erst 20 Jahre her sage ich und das ist und war das Leben von Bella Ban und Viktor Rogy, von Helmut Ritter und Cornelius Kolig, von Valentin Oman, Gerhard Pilgram, Emil Krištof und ziemlich einigen anderen. Vorwärts, ja, aber auch: nicht vergessen.

 

Ein einziges Kunstwerk Rogys ist in Klagenfurt öffentlich sichtbar: Die Plastik mit dem Titel ›Ein Reißnagel im Fleisch der Öffentlichkeit‹ an einer Außenwand der Druckerei Gaugeler in der Koschatstraße. Mit Blick auf dieses wunderbare, in seiner Reduzierung und formalen Klarheit für Rogy geradezu paradigmatische Werk hat Friedbert Aspetsberger gesagt: Eine zentrale Denkform in Rogys Werk sei nicht die Aktion, die Agitation, die Aggression, sondern die Schwebe zwischen Daseinsformen, Funktionen, Zwecken.[23] Das finde ich sehr treffend und es gilt für alle Arbeitsfelder Rogys in gleicher Weise und unterschiedlicher formaler Ausformung. Auch in seinen Kalligraphien, in seinen Texten und Wortspielen stellt er dieses Schweben auf seltsam luftige und dennoch zwingende Weise her. Da spürt man Anregungen durch Dadaismus und Surrealismus, erkennt den Einfluss der Wiener Gruppe und doch sind Rogys Texte eigen, unverkennbar seine. Ich schließe mit ein paar Zitaten aus seiner Postkatenedition und ersuche Sie dringend, falls sie es noch nicht getan haben, die von Bella Ban souverän kuratierte Ausstellung in der Galerie Freihausgasse in Villach zu besuchen und dort vor allem auch das Video »das leid ist das schnellste pferd«, anzusehen, ein unerhörtes Porträt Viktor Rogys auf dem Sterbebett und ein Ecce Homo wie ich sonst keines kenne. Und, lesen Sie den Brief an Viktor Rogy, den Bella Ban für die Ausstellungseröffnung verfasst hat.

 

 

 

Zitate aus seinen Postkarteneditionen: (meist Kalligraphien)

 

Ich erkläre die haas-haus abreißer (zilk bürgerm. von wien hollein usw.) zu abortarschitekten. viktor rogy 19.2.87

 

om: hommage á adolf loos

om: amen oder: wahrhaftig oder: sein aus ich selbst.

 

to bella am 6ten tag fiel sie aus dem bette sonst sie noch 3 dazu geschlafen hätte

 

will vogel behalten

 

entwichener zirkuslöwe verunsichert korsika

 

niemand zieht vor andrem hut – hutlose zeit

 

warum bin ich nicht dichter geblieben

 

wir sind abwegig wir haben die spur gefunden (täglich neuer titel)

 

qualitätsberater politwissenschafter viktor rogy [Visitenkarte]

 

maus maus / in des tieres / eigenem saum riet es / ruht eine saumaus im saum einer sau aus

 

nostalgie: heil hitler der hund ist tot

lhptm. h. sima vor heiligsprechung

 

so siehts aus

 

MAMA

 

wer sich nicht vorstellen kann kein künstler zu sein ist auch keiner

 

du hast nichts kapiert

 

reichdumm

 

geist braucht kein nachthemd

 

Trottel Intelligenztottel Welttrottel

 

tanzen und singen

 

ich möchte dem papst in rom empfehlen: heirate

[1] (Visitenkarte)

[2] rogy genie 84 (Ritter 1984) 169

[3] Ebd. 90

[4] Ebd. 34, 44

[5] Ebd. 76

[6] Ebd. 52

[7] Ebd. 181

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] Ebd.

[11] Ebd.

[12] Rogy Postkartenedition

[13] rogy genie 84 (Ritter 1984) 80

[14] Ebd. 182

[15] Viktor Rogy (5mal viktor). i love you. PRIVATFILM. werkbuch. (edition selene 1998), 16

[16] Vgl. Pfad-Finder. Veranstaltungskalender für Kärnten Nr.2/II, März 1995, [35]

[17] Vgl. Werner Überbacher: Butoh-Tanz in den Tod. In: Die Brücke, Nr. 46, März 2004, 41

[18] rogy genie 84 (Ritter 1984), 52

[19] Vgl. Ernst Jandl: wien : heldenplatz. In E. J.: poetische werke in 10 bänden (Luchterhand 1997), bd. 2,S. 46

[20] Vgl. die Pressedokumentation in: I love you. viktor rogy im stadttheater Klagenfurt [2007]

[21] Ebd. Nr. 13/2000

[22] Vgl. Georg Mitsche: Der Untergang der Kunsthalle ritter Klagenfurt und die Kärntner Mafia oder: Rote Laternen und ein schwarzes Loch. Klagenfurt 1998.

[23] Friedbert Aspetsberger in: Der Standard, Album 2001; zit. in: I love you (Anm. 20), [26]