HAUS-BERG-VERBOT


Ernst Logar (AT): Judenhütte | judovska koČa
11. 06.–15. 09. 2011 | 10-er Nock | Dobratsch/DobraČ (AT)

textInstallation in der Hütte am 10-er Nock, Dobratsch |
Tekstovna Instalacija v KoČi na griČu 10-er Nock, DobraČ


Armin Kern
geb. 1953 in Klagenfurt
Meine Mutter und meine Großmutter stammen aus der jüdischen Familie Reichmann. Das war diese Textilfabrikanten-Familie hier aus Passering; sie sind Anfang des 19. Jahrhunderts von Deutschland nach Kärnten gekommen und sind schon davor zum Christentum konvertiert. Von daher besteht eine Verbindung zum Jüdischen. Der zweite Konnex zum Judentum ist mein Vater, der 1938 nach England emigriert und dann 1945 als britischer Agent des OSS (Office of Strategic Services) nach Kärnten zurückgekehrt ist. Hier hat er meine Mutter kennen gelernt und dann wurde ich geboren […]
Meine Mutter ist hier am Freudenberg zur Welt gekommen und ich bin ein geborener Kolprat, also Armin Wilhelm Kolprat. Der Familienname Kern war ja der Deckname meines Vaters, den er von einem aus Wien stammenden und verstorbenen Kriegsgefangenen übernommen hatte. Der Name wurde erst durch die Verehelichung mit meiner Mutter offiziell. Die beiden haben 1955 geheiratet und dann wurde mein Geburtsname nachträglich in Kern umgewandelt. Mein Vater hat hier für den Geheimdienst gearbeitet und ist dann ab 1955 immer weniger in Kärnten gewesen. Er war dann in der Steiermark beruflich aktiv und ist 1961 nach Wien gezogen. […]
Als Kind wurde ich getauft, sozusagen zwangschristianisiert, aber in Gesprächen mit meinem Vater habe ich bald erkannt, dass das nicht meine Religion ist. Das Judentum mit seinem Liberalismus und seiner Vielfältigkeit entspricht eher meiner Persönlichkeit. […]
[…] Es war eine komplizierte Geschichte mit meinem Vater. Ich habe bemerkt, zum Beispiel durch die Tatsache, dass er beschnitten gewesen ist und auch an vielen anderen Dingen, dass die Identität, die er vorgegeben hat, nicht seine Identität ist. […]
Solange ich den Religionsunterricht besuchte, hatte ich immer wieder Konflikte mit den Religionslehrern. Mit 16 Jahren bin ich dann aus der katholischen Kirche ausgetreten und konnte mich nun frei entwickeln. […]
Da es keine Synagoge in Kärnten gibt, feiere ich Pessach oder Channuka meist bei meinen Freunden in Wien. Die restliche Zeit praktiziere ich meinen jüdischen Glauben hier allein mit der Thora und den anderen Dingen, die hier Zuhause habe. […]
Mein Ziel ist es, den Leuten die Vorurteile gegenüber dem Judentum aus dem Kopf zu nehmen. Dafür möchte ich in verschiedenen Bereichen arbeiten und initiativ werden. Die jüdische Identität in Kärnten soll endlich anerkannt werden. […]
Die österreichisch-israelische Gesellschaft versucht ja hier in Kärnten seit Jahren immer wieder besonders den Jugendlichen das Judentum nahe zu bringen – etwa über Klezmer-Musik-Konzerte oder Gedenkveranstaltungen in den Schulen. Damit wird auch angestrebt, das Feindbild, das bei den Eltern oder Großeltern der Jugendlichen immer noch vorherrscht, zu überwinden.[…]
Es gibt eigentlich kein Objekt, das für mich das Judentum symbolisiert. Aber ich habe zur Synagoge in Rom am Tiber und zur Synagoge in der Seitenstättengasse in Wien eine sehr starke Bindung. Und natürlich auch zu Israel und Jerusalem. Dort fühle ich mich aufgehoben und daheim.
Pischeldorf, Mai 2011


Rivka C. Bejach
geb. 1952 in Berlin
Aufgewachsen bin ich in Ostberlin. Für mich spielte die Familie meines Vaters die hauptsächliche Rolle, die Familie meiner Mutter war aus verschiedenen Gründen weniger präsent, zumal diese in West-Berlin lebte.
Meine Großeltern väterlicherseits waren Berliner durch und durch. Sie waren relativ wohlhabend und deshalb der Meinung, dass ihnen in der NS-Zeit nicht viel passieren werde – bis dann die »Fabriksaktion« in Berlin stattfand und sich meine Großeltern auf dem Verladebahnhof wiederfanden und ins KZ-Theresienstadt transportiert wurden. […]
Als ich ein Kind war, wurde von der Schwester meines Großvaters immer sehr merkwürdig gesprochen, sodass ich bereits als neunjähriges Kind annahm, dass diese Großtante vielleicht ein uneheliches Kind bekommen oder irgendetwas anderes »angestellt« hatte. Es wurde aber nie wirklich über sie gesprochen, höchstens mal getuschelt. […] Meine Cousine Maurine aus Kansas City, die ich erst in späteren Jahren kennen lernte, hat einen Stammbaum unserer Familie verfasst. Auf dieser Suche nach ihren Wurzeln hat sie auch herausgefunden, dass die besagte Schwester meines Großvaters – weil sie alleinstehend war – von Theresienstadt nach Auschwitz verbracht und dort vergast wurde. Das ist so typisch für jüdische Familien, man redet nicht über die Vergangenheit. Auf der anderen Seite machen sich die Überlebenden bis heute Gedanken, warum gerade sie überlebt haben und der Rest der Familie nicht. […]
Ich bin erst nach der Wende in den Westen gekommen, ich musste also bis 1989 in der DDR durchhalten. Obwohl ich mich, Baruch ata – Gott sei Dank – als Korrespondentin zumeist im (sozialistischen) Ausland und vor allem in Budapest befunden habe – in der damals »lustigsten Baracke des Sozialismus«.
Zuerst habe ich als Journalistin in Budapest für die DDR-Nachrichtenagentur ADN, dann nach der Wende für die mit ADN fusionierte westdeutsche Nachrichtenagentur ddp (Deutscher Depeschen-Dienst) gearbeitet. 1992 wurde ich in Budapest von der Austria Presse Agentur – erfolgreich – abgeworben. […]
Ich lebe nun seit 2002 zumeist in Villach. […] Als unsere Pendelbewegung zwischen Wien und Villach immer mehr wurde, habe ich mir gedacht, dass Wien eigentlich ein bisschen weit weg ist und die nächste Synagogengemeinschaft von hier aus ist Graz. […]
Ich habe dort Kontakt mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) aufgenommen und war bereit, soweit meine Möglichkeiten reichen, dort mitzuarbeiten. […] Man hatte mir angetragen, mich sofort in den Vorstand zu kooptieren, um die Repräsentantin für Kärnten zu werden. Da habe ich gerne zugesagt.
In Kärnten sind der IKG fünf Personen jüdischer Kultur bekannt, obwohl nicht alle Mitglieder der IKG sind. Es gibt aber sicher auch jüdische Familien, die sich nicht dazu bekennen möchten.
[…] Die Feste der jüdischen Kultur in Kärnten finden in Graz statt. […]
Vor zwei Jahren – da war die Sarah, meine erstgeborene Enkeltochter, sechs Jahre alt – überraschte sie mich mit diesem Zettel. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sich mein nicht-jüdischer Schwiegersohn auch mit der Kultur des Judentums befasst und selber schon hebräisch lernt. Und seine Tochter in die hebräische Schrift einführt. Die Sarah kam und schrieb ihren Namen sowie den Namen unserer Katze Hazy, eigentlich Eszterhazy, mit hebräischen Buchstaben und zwar vollkommen korrekt.
Und so schließt sich für mich persönlich hier der Kreis zu dem, was ich intuitiv vorhatte.
Wir sind aus anderen Gründen mit einer Gruppe nach Triest gefahren und ich hatte schon einen persönlichen Kontakt zur Synagogengemeinde Triest. Wir haben uns also dort getroffen und ich bin offiziell begrüßt worden. Ich möchte mithelfen, zwischen Graz und Triest, das ja auch 600 Jahre zu Österreich gehörte, eine Brücke zu schlagen, nennen wir es eine Brücke des Friedens – eine Brücke Schalom.
Villach, Mai 2011


Adi Bar-Meir
geb. 1977 in Be´er Scheva, Israel
Meine Eltern sind in Israel geboren. Meine Großmutter väterlicherseits stammt aus Jerusalem, ihre Familie lebt schon sieben oder acht Generationen dort. Mein Großvater kommt ursprünglich aus Polen und ist nach Israel geflüchtet. Er hatte eine sehr große Familie und viele seiner Familienangehörigen sind von den Nationalsozialisten ermordet worden. Die beiden Eltern mütterlicherseits sind 1950 nach Israel eingewandert. Sie sind ursprünglich aus dem Irak, dort gab es eine sehr große jüdische Gemeinde.
Ich bin in Be´er Scheva geboren, der Hauptstadt der Negev. Aufgewachsen bin ich in einem Kibbutz. Meine Eltern kommen ursprünglich aus Tel Aviv, sie sind eigentlich wegen uns Kindern aufs Land gezogen. Ich war drei Jahre beim Bundesheer, habe studiert und verschiedene Jobs gemacht, anschließend bin ich ein bisschen in der Welt herumgereist. Danach habe ich in Tel Aviv am Flughafen gearbeitet und meine Frau kennen gelernt. Sie ist Österreicherin, Kärntner Slowenin; mittlerweile haben wir drei Kinder. […] Zuerst haben wir in Tel Aviv gewohnt, seit Jänner 2003 leben wir hier in Zell Pfarre in Kärnten.
Hier ist die Landschaft sehr schön. Aber ich als Israeli empfinde die Kultur- und Mentalitätsunterschiede sehr stark. Auch nach acht Jahren habe ich mich noch nicht hundertprozentig an diese Umgebung gewöhnt. Wenn sich ein Israeli entscheidet, in die USA oder nach Europa auszuwandern, wird er nie in eine Kleinstadt wie Klagenfurt gehen, sondern in eine Hauptstadt wie Wien. Weil er dort einfach bessere Chancen hat. Ich kenne Israelis, die in Wien leben und sehe, dass sie in kurzer Zeit die Sprache lernen und nach zwei, drei Jahren einen guten Job bekommen.
Das eigentliche Problem ist, dass ich hier keine anderen Israelis kenne. Wir Israelis brauchen immer eine Gemeinschaft. Es ist deshalb kein Wunder, dass viele Juden nebeneinander leben. Das ist Teil der jüdischen Kultur, deswegen leben sie meistens in den Hauptstädten. […]
Ich habe in Israel Psychologie und Politikwissenschaften studiert, doch diese Fähigkeiten kann ich hier nicht weiterentwickeln. Aber die letzten zwei Jahre an der Volkshochschule Klagenfurt waren für mich eine schöne Zeit: Ich habe einen Hebräisch Kurs geleitet und Vorträge über den Staat und die Religion in Israel und den Nahost-Konflikt gehalten.
Es ist schwierig für mich, da es hier keine Leute gibt, mit denen ich mich in meiner Muttersprache unterhalten kann. Wenn es zum Beispiel einen jüdischen Feiertag gibt, habe ich leider keine Möglichkeit richtig zu feiern. Dann kann ich vielleicht zu Hause etwas organisieren, aber (um eine Metapher dafür zu verwenden): Sobald ich die Tür aufmache, ist die Luft draußen. Das kulturelle Umfeld ist hier einfach ein ganz anderes. […]
Ich bin in einer säkularen Familie aufgewachsen. Da in Israel Staat und Religion nicht klar getrennt werden, ist die Situation problematisch. Israel ist zwar eine Demokratie, aber es gibt religiöse Parteien im Parlament. Unser Alltag und unsere Lebensweise werden durch die Religion in vielen Bereichen beeinflusst; es gibt viele so wie ich in Israel, die deshalb gegen den religiösen Einfluss im Staat sind. […]
Ich lebe jetzt in einem Ort, in dem sehr viele Leute in die Kirche gehen. Dieses stark geprägte religiöse Umfeld ist insofern schwierig für mich, da mir diese Religion fremd ist und keine Bedeutung für mich hat. Obwohl ich in einer weltlich geprägten Familie aufgewachsen bin, sage ich nicht, dass die Religion etwas Unwichtiges ist, aber ich sehe das anders, etwas moderner und zeitgemäßer. […]
Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen in den letzten acht Jahren, seitdem ich also in Kärnten lebe, glaube ich, dass Kärnten ein wenig anders als die übrigen Bundesländer ist. Als Angehöriger einer Minderheit ist es hier sehr schwierig zu leben.
Das Symbol des Judentums ist für mich die israelische Fahne.
Klagenfurt, April 2011


Schlomzion
geb. 1942 in Wien
Mit 50 bin ich aus einer religiösen Überzeugung vom Christentum zum Judentum konvertiert, weil es für mich absolut das Richtige war. […]
Ausschlaggebend für meine Konvertierung war die jüdische Gedankenwelt. Wir reden ja nicht gerne im Judentum von Theologie. Aber im Grunde genommen war es das, was bedeutende Schriftsteller, Rabbiner oder Gelehrte über das Judentum gesagt und geschrieben haben. Von einer Urgroßmutter her habe ich auch jüdische Wurzeln, das spielt vielleicht auch eine Rolle. Es heißt ja immer, dass das irgendwann einmal durchschlägt, aber genau kann ich das nicht sagen und ich bin ja erst nach meiner Konvertierung draufgekommen. […]
In Kärnten gibt es überhaupt keine Möglichkeiten, den Glauben in einem gemeinschaftlichen Umfeld zu praktizieren. Aber man kann ja sein Bekenntnis auch zeitweise ohne dieses Umfeld ausüben. Den Glauben zu praktizieren bedeutet für mich auch zu beten und das kann jeder für sich alleine. Es ist natürlich schöner wenn man es in einer Synagoge tun kann. Deshalb versuche ich ungefähr einmal im Monat zum Shabbat in Wien zu sein, damit ich in meiner Gemeinde bin. Und das andere mache ich dann zu Hause. […]
Hier in Wolfsberg gab es im Jahr 1338 eine riesige Juden-Ermordung und – Vertreibung, die sehr bekannt ist. […] Sie müssen nur in einem Legendenbuch von Kärnten nachlesen, da gibt’s die Sage vom »Wolfsberger Blutwunder«. Ich kann die Geschichte nicht auswendig nacherzählen. Jedenfalls ist es für Christen ein Hostien-Frevel gewesen. Die Hostien hat man irgendwo in der Lavant gefunden, gleich bei uns in Wolfsberg nördlich vom Stadtzentrum. Da hat man ein Kreuz in einen Stein gemacht, ursprünglich war dieser noch in der Lavant, nach der Regulierung des Flusses sitzt der Stein jetzt in einem Tümpel. Da war immer nur dieser Stein und sonst nichts.
Diese Legende, in der die Juden sehr negativ dargestellt werden, wurde hier in den Schulen unterrichtet und meine Kinder haben diese schauderhafte Geschichte lernen müssen. Da habe ich zu ihnen gesagt, dass sie das nicht lernen sollen, weil es nicht richtig ist. Und dabei habe ich zu dieser Zeit überhaupt noch nicht daran gedacht zu konvertieren. Ich und mein Mann haben dann hier in Wolfsberg etwas unternehmen können, damit man sich an dieses Ereignis erinnert. […]
Jetzt steht eine Tafel dort neben dem Stein, wo man nachlesen kann, wie die Geschichte tatsächlich gewesen ist: Der Hintergedanke war, die Juden vertreiben zu können, weil man ihnen Geld schuldig war oder aus ähnlichen Gründen. Das war es ja meistens, warum man sie vertrieben und ihnen irgendwelche Freveltaten angedichtet hat. Und schon konnte man sie wieder loswerden und ermorden. Und gleichzeitig gibt es auch eine Tafel am Rathaus, die wurde in Erinnerung an die 1938 vertriebenen und zum Teil ermordeten Juden angebracht. Ich glaube hier in Wolfsberg gab es zwei jüdische Familien. […]
Ich verstehe und es ist auch richtig, dass man die Synagoge in Graz wieder errichtet hat, aber im Prinzip steht diese Synagoge ja mehr oder weniger leer. Es gibt ja nicht genug Leute. Was soll man denn in Kärnten machen? Eine Synagoge hat nur einen Sinn, wenn es zehn erwachsene jüdische Männer gibt, die zum Beten zusammenkommen. […]
Es genügt vollkommen, wenn jeder für sich betet, das sage ich.
Ich benötige kein Symbol für meinen jüdischen Glauben und daher habe ich auch keines. Er ist immateriell, es ist der reine Gedanke.
Wolfsberg, Mai 2011


Felice Preis
geb. 1955 in Klagenfurt
Die Familie Preis war in Klagenfurt eine sehr angesehene jüdische Kaufmannsfamilie. Gründer dieser Familie waren der Adolf Preis und seine Frau Hermine. Sie hatten fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter. Und alle drei Söhne sind in die Fußstapfen des Vaters getreten und haben auch das Kaufmannsgewerbe ausgeübt. […]
Nach dem Tod seines Vaters hat mein Vater Emil das Geschäft zusammen mit seinem älteren Bruder Robert übernommen. Und dann in den dreißiger Jahren mussten beide aus Klagenfurt weg und sind für kurze Zeit in das Konzentrationslager Dachau gekommen und in der Zwischenzeit wurde das Geschäft arisiert. […]
Mein Vater ist nach Kriegsende nach Klagenfurt zurückgekehrt und hat erfahren, dass sein jüngerer Bruder samt seiner Familie und seine Mutter im KZ Teresienstadt umgekommen sind – das war furchtbar für meinen Vater. Ein Jahr später ist der ältere Bruder Robert aus dem Krieg zurückgekommen. Die beiden haben versucht das Geschäft wieder zurückzubekommen. Das ist ihnen dann auch gelungen und sie haben das Geschäft zwischen 1947 und 1948 wieder neu eröffnet.
Ich bin nach Kriegsende, also 1955 geboren. […] Meine Mutter war römisch-katholisch und mein Vater wollte unbedingt, dass ich getauft werde, damit es nicht zu weiteren Repressalien mir gegenüber kommen kann. Es war aber so, dass in meiner Familie über dieses Thema überhaupt nicht gesprochen wurde. Die Familienmitglieder waren derart geschädigt und deshalb habe ich sehr spät von der Geschichte meiner Familie erfahren, weil alles totgeschwiegen wurde.
Als Kind habe ich die Bilder von den Familienmitgliedern, die in unserer Wohnung gehangen sind, angesehen und natürlich nachgefragt. Da hat es immer geheißen, die sind schon alle gestorben, das waren alte Menschen und die sind lang vor deiner Zeit gestorben. […]
Ich bin in einem christlichen Haushalt aufgewachsen mit allen christlichen Dingen, von der Sonntagsmesse über die Erstkommunion, bis zum Religionsunterricht in der Schule, also es war überhaupt kein Bezug zum Jüdischen da. […]
Wie ich dann älter geworden bin, ist dieses Thema im Gymnasium im Religionsunterricht angesprochen worden und dann kam alles Mögliche aufs Tapet. Ich wurde neugierig, habe natürlich nachgefragt und habe dann von vielen diesen Dingen erfahren. Es war aber so, dass ich mit meinem Vater eigentlich nicht darüber sprechen konnte, er wollte es nicht. Meine Mutter hat mir darüber alles Mögliche erzählt und hat mir dann mehr oder weniger klargemacht, dass alle diese Familienmitglieder, die da bei uns sozusagen an den Wänden hängen, teilweise auf sehr grausame Art und Weise ums Leben gekommen sind. Das war natürlich sehr schwierig für mich, die Vorstellung alleine. […] Ich bin – je älter ich geworden bin – zunehmend sensibler geworden, was dieses Thema betrifft.
Ein Symbol für die Geschichte meiner Familie und meiner Identität ist der siebenarmige Leuchter, den habe ich von meinem Vater, der ist schon in der Wohnung meiner Eltern gestanden und jetzt es ist für mich ganz klar, dass er bei mir in der Wohnung steht. […]
Mein Vater hat nicht hebräisch gesprochen, ich weiß nicht einmal, ob sein Vater es konnte, ich kann darüber gar nichts sagen. Wie diese Religion in der eigenen Familie gelebt wurde, das ist etwas, worauf ich eigentlich keine Antwort mehr bekommen werde. Weil ich niemanden mehr habe, den ich dazu fragen kann, der mir darüber eine Auskunft geben kann, weil die Menschen alle tot sind.
Das ist ein großes Problem, weil es stellen sich mir viele Fragen, auf die ich keine Antworten mehr bekomme.
Klagenfurt, Mai 2011


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