3. ETAPPE: ERSTKONTAKT
Wanderung von Sveta Ana (Ljubelj) nach Radovljica
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BEGUNJE | SVETI PETER | DVORSKA VAS |
RADOVLJICA
Radovljica:
Linhartov trg
RADOVLJICA
Am gewinnendsten ist das Städtchen in der warmen Jahreszeit, wenn am verkehrsberuhigten Hauptplatz die Kaffeehaus-Tische aufgestellt sind und sich die Bewohner im »italienischen« Ritual der Abendpromenade üben. Zur mediterranen Atmosphäre trägt auch das historische Stadtbild bei, das man in diesen Breiten kaum erwarten würde – weniger wegen seiner Architektur (die eher »österreichisch« wirkt) als wegen seiner Kompaktheit und der exponierten Lage auf einer Terrasse 75 m über dem Savetal. Sie macht Radovljica zu einer der schönsten Städte in Gorenjska. Dass sie trotz ihrer Nähe zu Bled und zur Autobahn verhältnismäßig wenig touristische Beachtung findet, erstaunt umso mehr.
»Altstadt«, das sind im Wesentlichen besagter Hauptplatz, Linhartov trg, der Kirchhof und ein paar schmale Seitengassen. Auch die vergammelte »Unterstadt« im Nordosten ist historisch. Den Rest bilden Neubauten, die im Nordwesten mit Lesce zum hässlichen Siedlungsbrei verschmelzen.
Den gut erhaltenen, teilweise mittelalterlichen Baubestand verdankt Radovljica, deutsch Radmannsdorf, seinem wirtschaftlichen Niedergang im 18. Jahrhundert, der jede weitere Modernisierung unterband. Bis dahin war der Ort so etwas wie eine Metropole. Um 1050 erstmals erwähnt, entwickelte er sich schon im frühen Mittelalter zum bedeutenden Handels- und Gewerbezentrum, vor allem aufgrund der günstigen Verkehrslage und wegen seiner Nähe zu den Bergbaugebieten unterhalb der Jelovica bzw. zu den alten Industrieorten Jesenice und Kropa. Neben Eisenerzeugnissen wurde hier auch mit Salz und Wein gehandelt; letzterer stammte aus heimischer Erzeugung. Mitte des 16. Jahrhunderts erhielt Radovljica das Stadtrecht und eine eigene Gerichtsbarkeit; das Recht auf Mauteinhebung stellte regelmäßige Einnahmen sicher. Aus dieser Zeit stammt der historische Kern, dessen bedeutendste Häuser liebevoll restauriert wurden.
Ein Zuviel an Zuwendung wurde allerdings dem spätgotischen Štivec-Haus zuteil, dessen vorspringendes Obergeschoß man unnötig verkitscht hat. Umso schöner präsentiert sich der Bau im Inneren mit einer von massigen Mittelpfeilern und raffinierten Kreuzrippen geprägten Gewölbegalerie und dem herrschaftlichen Trauungssaal im ersten Stock, der mit kunstvoller Vertäfelung vom Reichtum seiner ehemals bürgerlichen Besitzer kündet. Schräg gegenüber zieht das Vidic-Haus aus dem Jahr 1634 mit einem Runderker sowie reicher Bemalung mit angenehmer Patina die Blicke auf sich. Weitere Sehenswürdigkeiten sind das Fürsager-Haus aus dem frühen 16. Jahrhundert und das Geburtshaus des Dichters Anton Tomaž Linhart (1756–1795). Er gilt als Verfasser des ersten Theaterstücks in slowenischer Sprache, in dem er »Die Hochzeit des Figaro« auf die sozialen Verhältnisse in Gorenjska übertrug. Linhart war der Meinung, dass Österreich aufgrund der slawischen Bevölkerungsmehrheit eigentlich ein slawischer Staat sei. Er führte außerdem den Begriff der Slovenci ein, denen er eine besondere Liebe zur Freiheit attestierte. Um seinen Status als österreichischer Beamter nicht zu gefährden, enthielt er sich allerdings allzu revolutionärer Umtriebe. Am Nachbarhaus ist noch die alte deutsche Aufschrift »Tischlerei« zu erkennen.
Als Kulturdenkmal ausgewiesen, jedoch architektonisch wenig überzeugend ist die Pfarrkirche St. Peter aus dem 15. Jahrhundert. Das spätgotische Langhaus leidet unter mannigfacher Adaptierung und dem größtenteils im 19. Jahrhundert zusammengestoppelten Inventar. Am interessantesten ist die großflächige Fassade mit ein paar gotischen Steinmetz-Einsprengseln und Resten eines Christopherus-Freskos. Vier Linden und ein alter Kastanienbaum beschatten den gepflasterten Vorplatz. Ein auratischer Ort ist auch der Pfarrhof, dessen Arkadengänge aus dem 16. Jahrhundert stammen.
Ohne Sinn für Proportionen beherrscht das Schloss Thurn den Hauptplatz; barocker Stuck und hellgelbe Färbelung täuschen Leichtigkeit vor, die von den schweren Eisengittern im Erdgeschoß konterkariert wird. Sehenswert ist die Fassade allemal, ziert sie doch eine besondere Gedenktafel. »Unter der Führung des Alpinisten Rudolf Badjur«, lautet der Text, »haben sich hier im Dezember 1918 Freiwillige zu einem alpinen Verband zur Befreiung der Kärntner Slowenen zusammengeschlossen.« Gestiftet wurde die Inschrift von den »Kämpfern für die Nordgrenze 1918–19«. Kranzniederlegungen erbeten.
Wann genau das (ursprünglich mittelalterliche) Schloss erbaut wurde, ist unbekannt; überliefert ist eine ganze Reihe von Besitzern, die von den Ortenburgern über die Dietrichsteiner bis zu den Habsburgern reicht. Letztere vermieteten den Sitz den Grafen von Thurn-Valsassina, die ihn im 17. Jahrhundert vergrößern und außerdem einen »französischen Park«, von den Einheimischen »Paradies« genannt, anlegen ließen. Heute beherbergt das Schloss das čebelarski muzej (Bienenzuchtmuseum), dem Peter Handke ein literarisches Denkmal setzte, indem er in »Gerechtigkeit für Serbien«, wenn auch nur in einem Nebensatz, vom »lieben Museum von Radovljica« schrieb.
Man muss mit der Imkerei nichts am Hut haben, um dem Dichter recht zu geben. 1959 als unscheinbare Ausstellung eröffnet, präsentiert es sich heute als ebenso umfangreiche wie professionell gemachte Schau. Diese erstreckt sich über sieben Räume, von denen die ersten beiden der Geschichte der slowenischen Bienenzucht gewidmet sind. Hier lernt man nationale Imker-Größen wie Jan Strgar und Mihael Ambrožič kennen, die sich um den internationalen Bienenhandel verdient machten, indem sie etwa das Problem des Übersee-Transports der empfindsamen Bienenköniginnen lösten. Für Wanderer besonders interessant: ein Art »Bienenstock-Rucksack«. Gewürdigt wird auch Anton Janša, Hofimker unter Maria Theresia, dem die sanftmütige Krainer Biene den Namen Carnica verdankt.
Im Hauptraum werden rund 200 kranjiči gezeigt, kunstvoll bemalte Brettchen, mit denen einst die Bienenstöcke geschmückt waren. Originelle Figurenbienenstöcke, darunter auch zeitgenössische »Skulpturen«, ergänzen die volkskundliche Kollektion. Hauptattraktion ist aber ein lebendes Bienenvolk, dessen wabenmöblierte Behausung in der biologischen Abteilung aufgebaut ist. Das Einflugloch befindet sich im straßenseitig gelegenen Fenster; was sich im Inneren des Stockes abspielt, kann – Aug in Aug mit den Bienen – durch eine Glasscheibe beobachtet werden. Der dazugehörige Sound wird live in eine Kabine übertragen.
EINKEHR: Auch Josip Broz Tito suchte in Radovljica gelegentlich Ablenkung und Trost. Mehrmals beehrte er die traditionsreiche Gostilna Kunstelj mit seinem Besuch; Speckkuchen soll sein bevorzugtes Gericht und cviček sein Lieblingswein gewesen sein. Noch heute ziert ein Foto des Staatsmannes die Wand und die Homepage der Gastwirtschaft. Vorzügliches Risotto, schmackhafte štruklji, angenehmer Gastgarten. Zimmervermietung. Gostilna Kunstelj, Gorenjska 9 (gut 100 m vor dem »Eingang« zur Altstadt), +386/ 4/5315178.
Einen guten Ruf hat auch das bald 200-jährige Gasthaus »Lectar«, ehemals Kerzenzieherei und Lebkuchen-Bäckerei. Die historischen Gasträume sind gemütlich, sieht man über den unvermeidlichen rustikalen Ramsch und die Oberkrainer-Dauerberieselung hinweg. Vom schattigen Gastgarten lässt sich beinahe die gesamte Tagesetappe überblicken. Die reichhaltige Speisekarte enthält neben der üblichen Hausmannskost auch manche Überraschung. Als Vorspeise empfiehlt sich Kohlrabi mit Kren; eine Gewissensfrage ist der gelegentlich angebotene Bärenbraten. Gutes Weinangebot, robuste Kellner mit Fransenschultertüchern. Gasthaus Lectar, Linhartov trg 2, +386/4/5374800.
Freundlich wird man im Hotel Grajski dvor empfangen; das renovierte Haus mit moderaten Preisen ist für Kurzaufenthalte gut geeignet. Hotel Grajski dvor, Kranjska cesta 2, +386/4/5315-585, http://www.hotel-grajski-dvor.si/slo/index.htm.